Myron Bolitar 03 - Der Insider
Sommersprossen, er hätte aber gewettet, dass es in ihrer Kindheit viel mehr gewesen waren. In jeder sechsten Klasse gab es so eine freche Göre, die irgendwie ganz süß war. So eine saß ihm jetzt als Erwachsene gegenüber. Eine Schönheit war sie nicht. Jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Aber sie hatte einen natürlichen Charme, der einen reizte, sie zu umarmen und an einem kühlen Herbsttag mit ihr im Laub herumzurollen.
»Eigentlich hätte ich schneller drauf kommen müssen«, fuhr sie fort. »Im Nachhinein ist es ziemlich offensichtlich.«
»Muss ich verstehen, wovon du redest?«
»Nein«, erwiderte sie. »Du musst dich noch ein paar Minuten dumm stellen.«
»Das ist meine Spezialität.«
»Gut, dann fahr weiter, und hör mir zu.« Sie gestikulierte unentwegt, hob und senkte die Hände im Einklang mit der Stimme. »Weißt du, diese ganze Sache mit den komischen Parallelen hat mich auf die falsche Spur gebracht. Oder mich wenigstens abgelenkt. Dabei spielt eure gemeinsame Vergangenheit als sportliche Rivalen nur eine Nebenrolle. Sie ist nicht mal halb so wichtig wie zum Beispiel deine frühere Beziehung mit Emily.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Du hast weder in einer Amateurmannschaft noch in der Sommer-Liga gespielt. Du spielst vielleicht gerade einmal die Woche hobbymäßig in irgendeiner Sportgruppe. Du trainierst zwar, aber hauptsächlich mit Win zusammen bei Master Kwon - und die haben weder Basketballkörbe noch ein Spielfeld.«
»Hast du sonst noch was?«
Sie hob ungläubig die Hände. »Du hast kein Training mit dem Ball gemacht. Du hast nirgends gespielt, wo Clip, Calvin oder Donny dich gesehen haben könnten. Warum sollten die Dragons dir also einen Vertrag geben? Irgendwas stimmt da nicht. Und eine reine PR-Nummer kann es eigentlich auch nicht gewesen sein. Es bringt so gut wie keine Schlagzeilen, und wenn du nichts reißt - wovon, wenn wir ehrlich sind, auszugehen ist -, geht dieser winzige Publicity-Erfolg auch noch nach hinten los. Die Halle der Dragons ist immer gut gefüllt. Das Team ist in Form. Es ist im Moment nicht nötig, eine große Publicity-Nummer abzuziehen. Also muss es einen anderen Grund geben.« Sie hielt inne und setzte sich anders hin. »Und jetzt kommt das Timing ins Spiel.«
»Das Timing?«
»Ja«, sagte sie. »Warum jetzt? Warum geben sie dir so spät in der Saison einen Vertrag? Eigentlich ist es ganz offensichtlich. Und das einzige, was dabei wirklich ins Auge fällt, ist das Timing.«
»Inwiefern?«
»Es geht um Downings plötzliches Verschwinden.«
»Er ist nicht verschwunden«, korrigierte Myron. »Er ist verletzt. So viel zu deinem tollen Timing. Greg hat sich verletzt. Ein Platz im Team musste besetzt werden. Ich habe ihn eingenommen.«
Audrey lächelte und schüttelte den Kopf. »Du willst dich also weiter dumm stellen, ja? Meinetwegen. Na denn. Down-ing soll sich verletzt und daraufhin zurückgezogen haben. Aber ich habe Verbindungen, Myron, und ich kann den Ort, an den er sich zurückgezogen haben soll, ums Verrecken nicht finden. Selbst meine besten Kontaktpersonen, und das sind echte Insider, können mir nichts sagen. Ist doch komisch, findest du nicht?«
Myron zuckte die Achseln.
»Möglicherweise«, fuhr sie fort, »wäre Downing schon so ein Ort eingefallen, wenn er sich wirklich unbedingt hätte zurückziehen wollen, um in Ruhe eine Knöchelverletzung ausheilen zu lassen - von dieser Verletzung ist übrigens weder auf Spiel- noch auf Trainingsvideos irgendwas zu sehen. Aber warum sollte er sich solche Mühe geben, wenn er nur eine Verletzung auskuriert?«
»Damit er seine Ruhe hat vor Nervensägen wie dir«, sagte Myron.
Audrey hätte fast gelacht. »Das klang jetzt sehr überzeugend, Myron. Fast so, als würdest du es wirklich glauben.«
Myron sagte nichts.
»Ein paar Punkte hab ich noch, dann kannst du langsam aufhören, dich dumm zu stellen.« Audrey zählte sie an unbering- ten Fingern mit leichtem Hornhautansatz ab. »Erstens weiß ich, dass du mal fürs FBI gearbeitet hast. Du hast also ein bisschen Erfahrung in Ermittlungsarbeit. Zweitens weiß ich, dass Downing gerne mal verschwindet. So was ist schon öfter vorgekommen. Drittens kenne ich Clips Schwierigkeiten mit den anderen Eignern. Die große Abstimmung steht vor der Tür. Viertens weiß ich, dass du gestern bei Emily warst, und ich glaub nicht, dass du da die alte Liebe wieder anfachen wolltest.«
»Woher weißt du das?«, fragte Myron.
Sie lächelte
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