MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
dein Recht auf Rückkehr für immer verwirkt.«
»Auch das ist mir bekannt«, antwortete Nelwyn, »und deshalb werde ich schweigen wie ein Grab. Aber jetzt lasst mich endlich tun, was ich tun muss. Es gibt keinen anderen Weg!« Damit hob er das Schwert hoch über den Kopf und rammte seine Spitze mit voller Wucht in den Felsen.
Sinkkâlion fuhr mindestens eine Elle tief in den Schicksalsstein, bevor es zitternd stecken blieb.
Nelwyn aber legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke, und Niko kam es so vor, als würde er ihm direkt in die Augen sehen. Als ihre Blicke sich trafen, fühlte Niko eine tiefe Verbundenheit mit ihm. Es war, als würden sie sich schon ein Leben lang kennen - und eine seltsame Wärme strömte wie Blut durch seinen Körper.
»Der Wille der Unsichtbaren möge geschehen!«, sagte der König feierlich, sprang zurück auf den Boden und wollte davoneilen. Der Fremde gebot ihm erneut zu warten: »Halt!«
Nelwyn blieb stehen. »Was wollt Ihr denn noch?«
Der Mann streckte ihm seine Rechte entgegen. »Gib mir deinen Ring, Nelwyn! Damit du nicht der Versuchung erliegst, vor der Zeit nach Mysteria zurückzukehren, und damit alles zunichtemachst.«
Der König zögerte einen Augenblick. Dann zog er den goldenen Ring von seinem Finger und legte ihn dem Fremden in die Hand.
»Glaub mir, Nelwyn, es ist zu deinem Besten. Ich werde ihn der Hüterin des Horts anvertrauen, und die wird wissen, was damit geschehen soll.« Mit den letzten Worten verschwand der Fremde genauso spurlos, wie er aufgetaucht war.
Nelwyn aber eilte zu dem dunklen Gang, der sich auf der anderen Seite der Felsenkammer öffnete.
Während Niko ihm noch nachsah und zu erkennen versuchte, wohin der Stollen führte, loderten riesige Flammen aus dem Boden und versperrten ihm die Sicht. Dann sah er nur noch Feuer, bis er endlich wiedererkannte, wo er sich befand: in Sâgas Folterhöhle, und es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis er den Tod fand - aber da begriff er endlich, wie alles zusammenhing!
Ayani schien sich ihrem Schicksal bereits ergeben zu haben. Mit geschlossenen Augen lehnte sie an der Wand und murmelte Worte vor sich hin, von denen nur der wiederholte Name ihres Bruders, Arawynn, zu verstehen war. Währenddessen nagten die gefräßigen Ratten weiterhin voller Gier am Seil, damit ihnen auch nicht ein Tropfen Blut entging.
»Ayani!«, schrie Niko sie an. »Die Folterinstrumente, Ayani!«
Wie benommen öffnete das Mädchen die Augen und blickte ihn an. »Die Folterinstrumente? Was ist damit?«
»Versuche, deine Fesseln damit zu lösen - schnell!«
Langsam drehte Ayani den Kopf und blickte zu dem Holzgestell, das höchstens zwei Meter von ihr entfernt war. Da endlich begriff sie, robbte sich rasch heran und stieß es mit den gebundenen Füßen um. Dann setzte sie ihre Handfesseln an die Klinge eines Messers und begann zu schaben, schneller und immer schneller, während Niko weiterhin die Nacktratten im Auge behielt.
In ihrer maßlosen Gier hatten sie das Seil bereits bis zur Hälfte durchgenagt, wenn nicht noch weiter. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Rest der Fasern unter Nikos Gewicht riss und er in den Tod stürzte.
»Schneller, Ayani! Mach bitte schneller!«
»Ich mach ja schon!«, schrie Ayani verzweifelt und verdoppelte ihre Anstrengungen. Ihre Handgelenke bluteten bereits, weil die Klinge nicht nur die Seilstränge durchtrennte, sondern auch ihre Haut verletzte. Aber immer noch hielten die Fesseln ihr stand.
Die Ratten dagegen schienen immer unersättlicher zu werden. Während Ayani sich mit wachsender Verzweiflung abmühte, bissen sie wie wild an dem blutigen Tau herum, das sie mit Ausnahme eines kärglichen Restes schon fast vollständig durchgenagt hatten. Es würde Nikos Gewicht höchstens noch zwei bis drei Sekunden tragen können!
»Ja!«, jubelte Ayani plötzlich auf, sprengte mit letzter Kraft die Handfesseln und sprang auf Niko zu. Sie kam nicht eine Sekunde zu spät: Im letzten Augenblick, in dem Moment, in dem das Seil riss, konnte sie Niko gerade noch packen und zur Seite reißen.
Schon kurz darauf hatten die beiden sich ihrer Fesseln entledigt und lagen sich zitternd in den Armen. »Danke, Ayani, vielen Dank«, stammelte Niko ein ums andere Mal, drückte sie fest an sich und wollte sie gar nicht mehr loslassen.
Als sie sich endlich voneinander trennten, lächelte Ayani ihn an. »Du
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