MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
Schwarzmagierin. »Seit heute besitze ich nämlich nicht nur eine Kette aus dem Alwenhort...«, sie zog Nikos Kette aus der Tasche und hielt sie ihnen mit unverhohlenem Triumph hin, »... sondern sogar deren zwei!« Damit präsentierte sie ihnen das Schmuckstück, das sie Ayani vom Hals genommen hatte. »Und wenn die zwei zu einem werden, kann alles geschehen. Deshalb ist es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis mir das Haupt des Weisen das große Geheimnis der Unsichtbaren offenbart. Sie werden es Mimir bestimmt bald anvertrauen, und so kann es nicht mehr lange dauern, bis sich auch mir das große Rätsel um das Königsschwert erschließen wird.« Sâga atmete tief durch, legte die beiden Ketten auf das kleine Tischchen an der Wand und griff nach dem Tonkrug mit dem Blut. »Sosehr ich das auch bedauere, aber ich muss unsere kleine Plauderei jetzt leider beenden. Rhogarr von Khelm wartet schon ganz ungeduldig auf mich. Außerdem sollen meine kleinen Lieblinge auch endlich was zu knabbern bekommen.« Damit nahm sie die Schöpfkelle und beträufelte das Seil, an dem Niko hing, über und über mit Blut.
Schon alleine der Geruch machte die Meute der Nacktratten fast rasend. Sie drängten an die Gitter des Käfigs, entblößten die scharfen Gebisse und stießen gierige Fieplaute aus. Da endlich begriff Niko, welchen teuflischen Plan die Schwarzmagierin sich ausgedacht hatte: Die ausgehungerten Ratten würden bestimmt nicht lange brauchen, um das Seil durchzunagen. Dann würde er in die Tiefe des höllischen Schlundes stürzen und Ayani mit in den Tod reißen.
Sâga eilte zum Tisch zurück und ergriff die beiden Ketten, bevor sie Niko und Ayani einen letzten Blick zuwarf. »Ich überlasse euch jetzt eurem Schicksal. Und wie ich versprochen habe, werde ich keine Hand an euch legen. Das überlasse ich lieber anderen.« Damit bückte sie sich und öffnete die Tür des Rattenkäfigs. Während die gierige Meute daraus hervorströmte und quiekend auf das Seil zustürzte, verließ die Schwarzmagierin die Folterhöhle unter höhnischem Gelächter.
Niko schwindelte. Den sicheren Tod vor Augen, starrte er wie benommen in den bodenlosen Schlund, auf dessen Grund die Flammen nun hell aufloderten. Die schwefeligen Dämpfe und die aufsteigende Hitze drohten ihm langsam das Bewusstsein zu rauben. Alles um ihn herum begann sich zu drehen, bis er nur noch die lodernde Feuerwand im Blick hatte, die ihm zum Schicksal werden sollte.
Die lodernde Kraft der Flammen sog an Niko und ließ ihm keinen anderen Gedanken mehr. Die Luft vor seinen Augen flimmerte hell - aber plötzlich wurden die Flammen kleiner und kleiner, und als sie schließlich ganz erloschen, hatte Niko den Eindruck, als schwebte er an der Decke einer kleinen Felsenkammer, in deren Mitte, direkt unter ihm, ein mächtiger Stein aufragte. Noch während er blinzelte und die Verwandlung zu verstehen versuchte, hörte er eilige Schritte, die näher kamen. Nur einen Augenblick später stürzte ein Mann aus einem schmalen Gang und trat in die Kammer: Es war der Edelmann aus seinem Traum. Er trug den Umhang mit dem Falkenwappen und hielt ein mächtiges Schwert in seiner Hand - Sinkkâlion! Während er sich gehetzt umschaute, als fürchte er, verfolgt zu werden, eilte er auf den Felsbrocken zu und sprang mit einem einzigen Satz auf den Stein hinauf. Dann hob er das Schwert, um es hineinzurammen - aber da tauchte wie aus dem Nichts eine zweite Gestalt in der Kammer auf: ein Mann unbestimmten Alters, der in einen grauen Kapuzenumhang gehüllt war und einen übermannsgroßen Stock aus Eichenholz in der linken Hand hielt.
»Halte ein, König Nelwyn!«, gebot der Neuankömmling, »und überlege gut, was du da tust. Wenn du das Königsschwert in den Schicksalsstein zurückstößt, wird nur dein rechtmäßiger Nachfolger es wieder herausziehen können.«
»Ich weiß«, antwortete Nelwyn. Seine Brust hob und senkte sich schnell, so heftig atmete er. »Aber das ist allemal besser, als dass Sinkkâlion unseren Feinden in die Hände fällt - und sei es auch nur für kurze Zeit!«
»Und nur dein Nachfolger wird den Fluch bannen können«, fuhr der Fremde mit dem Umhang fort, »mit dem Sâga dich belegt hat.«
»Es ist, wie es ist, und ich werde mich damit abfinden müssen.«
»Und ein Letztes noch, Nelwyn: Wenn du in der Fremde auch nur eine einzige Silbe über das Geheimnis Mysterias verlauten lässt oder auch nur eine einzige Andeutung machst, hast du
Weitere Kostenlose Bücher