MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
Wand und blickte sie voller Entsetzen an - und gleichzeitig stand er hinter ihr und richtete die Spitze seiner Waffe auf ihren Hals. »Lass dein Schwert fallen!«, befahl er mit kalter Stimme.
Entsetzt gehorchte das Mädchen. Noch während Ayanis Waffe zu Boden fiel, verwandelte sich die Gestalt neben ihr in einen schwarzen Wirbel und nur einen Herzschlag später in eine Frauengestalt: Sâga die Schwarzmagierin. Triumph stand in ihren Augen, als sie vor Ayani hintrat.
»Ihr Narren habt also tatsächlich geglaubt, es mit mir aufnehmen zu können. Aber für diese Anmaßung werdet ihr zahlen - und zwar mit euerem Leben.«
T homas Andersen schaute seine Tochter erleichtert an. »Jetzt bin ich wenigstens ein bisschen beruhigt, Jessie. Meine Geschichte ist offensichtlich doch ganz anders als die meiner Kollegin Karin Seikel...«, er grinste, »... die schon längst im Dichterhimmel oder wo auch immer weilt. Erstens...«, Thomas nahm zum Aufzählen die Finger zu Hilfe - zunächst natürlich den Daumen, »... ist mein Protagonist keine Frau, sondern ein Junge. Zweitens...«, jetzt war der Zeigefinger an der Reihe, »... erlebt der keine langweilige Romanze, sondern ein aufregendes Abenteuer. Drittens...«, Thomas zeigte den Mittelfinger, »... ist der Held nicht auf der Suche nach der großen Liebe, sondern nach seinem Vater - und das ist auch der Grund, warum er nicht vorzeitig in unsere Welt zurückkehrt, sondern die Sache bis zum Ende durchzieht. Womit er viertens...«, der Ringfinger schnellte hoch, »... aktiv in das Geschehen in Mysteria eingreift und damit das Schicksal der Welt hinter den Nebeln entscheidend beeinflusst.«
»Na, also.« Jessie lächelte und lehnte sich auf der Couch zurück. »Dann hast du dir ja völlig unnötig Sorgen gemacht.«
»Sieht ganz so aus«, erwiderte Thomas. »Aber da wusste ich ja auch noch nicht, was ich jetzt weiß!« Er ging auf seine Tochter zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank, Jessie. Du hast mir sehr geholfen. Ab jetzt wird mir das Schreiben viel leichter fallen.«
Das Mädchen zog die Brauen hoch. »Dann weißt du also, wie die Geschichte ausgeht?«
»Nein, das weiß ich noch nicht«, antwortete der Vater und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. »Im Moment kenne ich nur die wichtigsten Eckdaten und Wendepunkte der Story und habe, sagen wir mal, eine ungefähre Vorstellung, wie das Ende aussehen soll. Ob das Ende aber tatsächlich so bleibt und was meinem Helden auf dem Weg durch Mysteria weiter zustößt, weiß ich noch nicht. Es kann alles Mögliche passieren, von dem ich im Moment noch gar nichts ahne.«
»Das verstehe ich nicht, Papa.« Jessie zog die Beine an die Brust und schlang ihre Arme um die Knie. »Du bist doch der Autor!«
»Ja, und?«
»Deshalb entscheidest du doch auch, was passiert.«
Thomas schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht, Jessie, zumindest nicht ganz. Natürlich erschaffen Autoren die Welten ihrer Bücher selbst und bestimmen, wie eine Art unsichtbarer Götter, auch darüber, was darin passiert.«
»Eben! Sag ich doch.«
»Aber wie ich dir gestern schon erzählt habe, werden die Figuren mit der Zeit immer lebendiger und entwickeln ein immer stärkeres Eigenleben.«
Das Mädchen stützte das Kinn auf die Knie. »Und was bedeutet das?«
»Dass sie das Geschehen zunehmend bestimmen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Und wenn der Autor klug ist, lässt er das auch zu. Wenn die Charaktere ihren eigenen Willen entwickeln und die Handlung selbst vorantreiben, ist das meistens ein gutes Zeichen dafür, dass die Geschichte stimmig ist. Aus dem gleichen Grund kann sie aber selbst noch kurz vorm Schluss eine unvorhergesehene Wendung nehmen und ganz anders ausgehen als geplant. Deshalb weiß ich auch lange nicht, welcher der Helden letztendlich überlebt. Aber damit bleibt es spannend bis zum Schluss - für mich selbst und hoffentlich auch für die Leser.«
»Keine Angst, Papa, das wird es bestimmt!« Jessie stand auf und gab ihrem Vater einen Kuss. »Gute Nacht, Papa. Arbeite nicht mehr so lange.«
»Erzähl das bitte meinen Figuren! Vielleicht hören sie ja auf dich und sind heute nicht so widerspenstig.« Thomas blinzelte ihr fröhlich zu. »Gute Nacht, Jessie, und schlaf gut.«
Jessie hatte schon die Klinke in der Hand, als ihr noch etwas einfiel: »Dieser Junge in deinem Buch - wie heißt der
Weitere Kostenlose Bücher