MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
abgrundtief schwarz über ihn und um ihn wölbte. Wer wusste schon, wie riesig es war? Wie groß Mysteria war - oder wie viele Welten es darüber hinaus noch geben konnte?
Selber schuld! Selber schuld! Selber schuld!, höhnte eine schadenfrohe Stimme in seinem Kopf. Das kommt davon, wenn man Fantasie und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten kann.
Nikos Kinn sank kraftlos auf seine Brust. Er schloss die Augen, und ohne dass er sich dagegen wehren konnte, quollen Tränen unter seinen geschlossenen Lidern hervor und rannen über seine Wangen. Er schniefte zwei-, dreimal, doch dann konnte er das Schluchzen nicht länger zurückhalten. Und dann weinte Niko, so laut und hemmungslos wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Als die Tränen endlich versiegten, fühlte Niko sich um vieles leichter. Mit dem Ärmel seines Obergewandes wischte er sich über das Gesicht, um die nassen Spuren zu beseitigen. Er blinzelte den feuchten Schleier von seinen Pupillen und plötzlich stieg ihm erneut der Duft der Verbena in die Nase. Vielleicht hatte er das vorher gar nicht wahrnehmen können, aber jetzt schien es ihm sogar sehr intensiv und eindeutig: Obwohl er das Wunschkraut im Dunkel der Nacht nirgendwo ausmachen konnte, war der Geruch unverkennbar. Noch im gleichen Augenblick sah Niko aus den Augenwinkeln einen hell leuchtenden Punkt, der über der Mitte des Sees schwebte und direkt auf ihn zuhielt.
Im ersten Moment glaubte er, eine Art Leuchtkugel vor sich zu haben. Als die strahlende Erscheinung jedoch näher kam, erkannte er, dass es sich um ein geflügeltes Wesen handelte, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Art von Elfe aufwies, die er aus seinen Märchen- und Fantasybüchern kannte. Das Wesen war rund zwanzig Zentimeter groß, zart und grazil und trug ein Gewand aus weißem Tuch, aus dessen Kragen ein ausnehmend hübsches, blond gelocktes Köpfchen hervorlugte. Die paarigen Flügel auf seinem Rücken waren durchsichtig und größer als der gesamte Körper. Allerdings bewegten sie sich so atemberaubend schnell, dass das kaum zu erkennen war.
Das seltsame Wesen flog auf Niko zu, verharrte mit schwirrenden Flügeln rund einen halben Meter vor seiner Nase in der Luft und blickte ihn mit einem schelmischen Lächeln an, als freue es sich diebisch, dass es den Jungen in solches Erstaunen versetzte.
Die wundersame Erscheinung leuchtete so hell, dass Niko die Augen zusammenkneifen musste, um nicht geblendet zu werden. Zum Glück gewöhnte er sich rasch an das gleißende Licht. »Wer... wer bist du?«, fragte er verwundert.
»Pah!«, erwiderte das Geschöpf. Wie das sanfte Gebimmel eines Silberglöckchens klang seine Stimme an Nikos Ohr. »Du enttäuschst mich! Das ist genau die Frage, die ich erwartet habe. Ihr Menschen seid doch alle gleich.« Das Lichtwesen schüttelte den Kopf, verdrehte kurz die blauen Augen und sah Niko dann prüfend an. »Wonach sehe ich denn wohl aus, hm? Dreimal darfst du raten. Was glaubst du, wen du vor dir hast?«
»Äh«, antwortete Niko verwirrt. »Eine… eine Elfe vielleicht?«
»Bravo!« Das Geschöpf klatschte in die winzigen Hände. »Warum denn nicht gleich so? Dabei müsstest du meinesgleichen doch auf den ersten Blick erkennen. Oder kannst du nicht lesen und besitzt keine Bücher?«
»Doch, ja, natürlich«, erwiderte Niko rasch, wurde aber sofort unterbrochen.
»Na, also«, fuhr ihm das Geschöpf dazwischen. »Dann kann es ja auch nicht so schwer sein zu erkennen, dass ich eine Lichtelfe bin. Die Frage hättest du dir also sparen können.«
»Ist ja gut«, versuchte Niko das erzürnte Wesen zu besänftigen. »Entschuldigung, es soll nicht wieder vorkommen.«
»Das will ich doch sehr hoffen!« Die Elfe verschränkte ihre Ärmchen vor der Brust. »Auch wenn ich das, ehrlich gesagt, bezweifele.«
»Und warum...?«, hob Niko an, behielt die Frage dann aber lieber für sich, um das kratzbürstige Wesen nicht unnötig zu reizen.
»Ja?«, fragte die Elfe zu seiner Überraschung nach. »Was wolltest du wissen?«
»Äh... Ich wollte fragen, was dich mitten in der Nacht hierher führt?«
»Puh!«, seufzte das geflügelte Geschöpf und hob theatralisch die Arme. »Als ob das nicht offensichtlich wäre! Schon wieder so eine überflüssige Frage.« Damit schwebte es einige Zentimeter näher, streckte den rechten Zeigefinger aus und deutete genau auf Nikos Nase. »Ich bin deinetwegen hier, weshalb denn sonst? Glaub mir, ich
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