Mysterium
Augenblick bewusst, und sie verstummten.
Clare ergriff Toms Hand. »Tut mir Leid«, sagte sie.
»Schon gut. War mein Fehler.«
Schweigend fuhren sie weiter und beobachteten, wie die Busse sich in verschiedene Fahrspuren einfädelten, die in entgegengesetzte Richtungen führten. Sie mussten sich entscheiden.
»Welche Richtung?«, fragte Tom.
»Ich weiß nicht …«
»Rechts«, sagte er.
»Okay.«
Tom drehte das Lenkrad und folgte dem rechten Bus. Der Weg führte sie durch eine breite Allee, von der ruhige Wohnstraßen abzweigten.
»Versuch, den Bus zu überholen«, sagte Clare.
»Es ist nicht genug Platz, wenn er nicht rechts ranfährt.«
Ein entgegenkommender Wagen zwang den Fahrer, den Bus ungefähr einen Meter weit nach rechts zu steuern, doch bevor Tom überholen konnte, war der Bus wieder zur Mitte gedriftet. Tom hupte, doch ohne Erfolg. Er versuchte es noch einmal. Im Innenspiegel war zu sehen, wie der Fahrer die linke Hand hob und Tom den Stinkefinger zeigte.
Clare legte ihm besänftigend die Hand auf den Arm. »Warte, bis er hält.«
Als dies wenige Augenblicke später der Fall war, fuhr Tom vorbei und scherte quer vor den Bus, um ihm die Weiterfahrt zu versperren. Als Tom dann auf den Bus zulief, sah er, wie der Fahrer sich anspannte und unters Armaturenbrett griff »Es tut mir Leid«, sagte Tom zu dem Fahrer und hielt die geöffneten Hände hoch, um zu zeigen, dass er keine bösen Absichten verfolgte. »Wir suchen unsere Tochter. Sie ist acht Jahre alt.«
Clare war auf die andere Seite des Busses gelaufen, wo soeben drei oder vier Personen ausstiegen. Als der Weg frei war, stieg sie die Stufen in den Bus hinauf »He, Lady!«, rief der Fahrer wütend. Doch Clare hatte schon den halben Bus durchquert und sich jeden Fahrgast angeschaut.
Tom wollte einsteigen. Wieder griff der Fahrer unter das Armaturenbrett. Tom konnte ein Funkgerät sehen und daneben einen Schlagring.
»Keine Bange«, sagte er beschwichtigend, »wir wollen nur unsere Tochter.«
Der Fahrer entspannte sich ein wenig. »Was sagten Sie, wie alt sie ist?«
»Acht.«
»Also, in meinem Bus ist sie nicht.«
Tom sah den Mittelgang entlang. Clare kehrte bereits mit enttäuschter Miene zurück und schüttelte den Kopf.
»Okay«, sagte Tom. »Es tut mir Leid.« Beide stiegen aus. Der Fahrer – froh, sie los zu sein – schloss die Tür. Neugierige Gesichter blickten aus den Fenstern auf Tom und Clare hinunter, als diese zum Wagen liefen, wendeten und in die Richtung davonrasten, aus der sie gekommen waren.
»Es muss der andere Bus sein«, sagte Tom. »Es muss einer von beiden sein.«
Er bog rechts ab in eine Gasse, die wie eine Abkürzung zu jener Straße aussah, die sie vorhin verlassen hatten. Tom war klar, dass der andere Bus inzwischen eine Route eingeschlagen haben konnte, die nicht mehr aufzuspüren war, doch er ließ die Befürchtung unausgesprochen, obwohl er ziemlich sicher war, dass Clare seine Gedanken teilte.
Sie erreichten die Hauptstraße und folgten ihr mehrere Minuten lang. »Er muss abgebogen sein«, sagte Clare schließlich. Ihre Stimme war angespannt vor Furcht.
Tom sagte nichts, fuhr weiter geradeaus.
»Dreh um«, sagte Clare.
»Ein kleines Stück noch.«
»So weit kann er nicht gefahren sein …«
Clare stockte, denn als sie durch eine lang gezogene Kurve fuhren, tauchte plötzlich ein Bus auf der wie der gesuchte aussah.
»Tom!«, stieß Clare hervor. »Ist er das?«
Tom antwortete nicht, sondern scherte aus, um zu überholen. Währenddessen wurde der Bus langsamer und hielt. Tom fuhr diesmal nur an den Bus heran, ohne ihm die Weiterfahrt zu versperren. Dann rannten beide zu der Tür, wo mehrere Fahrgäste ausstiegen und andere darauf warteten, einsteigen zu können. Der Fahrer war weniger aggressiv als der erste und hörte mit verständnisvoller Miene zu, als Tom ihm mit knappen Worten ihr Problem darlegte, während Clare sich die Fahrgäste anschaute.
»Ihre Frau wird das Mädchen da hinten nicht finden«, sagte der Fahrer. »Sie ist an der letzten Haltestelle ausgestiegen.«
»Wo war das?«
»Ungefähr anderthalb Kilometer zurück. Ich dachte noch, wie seltsam es ist – ein kleines Mädchen in dem Alter ganz allein unterwegs. Ich hab sie gefragt, ob alles in Ordnung ist. Sie sagte, dass ihre Mommy auf sie wartet.«
Clare war gerade rechtzeitig bei Tom, um die letzten Worte des Fahrers zu hören, doch sie reagierte nicht; sie war inzwischen viel zu verzweifelt, um noch Schmerz zu
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