Mysterium
Hunt zusammensetzen und uns seine Meinung anhören.«
Clare begann zu packen, während Tom seine E-Mails durchsah. Er wollte sich gerade ausloggen, als er eine Idee hatte. Er öffnete eine Suchmaschine und tippte ein einziges Wort ins Kästchen: »Reinkarnation.«
Auf das, was dann kam, war er nicht vorbereitet. Es gab mehr als zweihunderttausend Einträge. Meist kamen sie von Adressen wie Bhakti-yoga.ch, Childpastlives.org, Mantra-meditation.com, Spiritweb.org, Mystica.com und Tarotplanet.com . Es gab viel Material von der Theosophischen Gesellschaft, viel Gerede vom Karma, verschiedene Diskussionen über die Frage, warum Buddhisten die Doktrin akzeptierten, Christen jedoch nicht, und zahlreiche Beiträge von Leuten, mit denen Tom lieber nicht im selben Raum eingesperrt sein wollte.
Dennoch – wenn er darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass er den Buddhismus stets als die vernünftigste aller Religionen betrachtet hatte. Die Buddhisten beteten keine Heiligenbilder an und schlugen den Menschen nicht wegen Streitereien über Glaubenslehren die Köpfe ein.
Aber sie glaubten an die Wiedergeburt.
War diese Idee, fragte er sich, mehr als eine Metapher? Denn eine Metapher, ein Sinnbild, würde nicht ausreichen. Eine Metapher war nur ein Schatten, ein Spiegelbild von etwas anderem – die Möglichkeit, eine Sache zu benutzen, um eine andere zu erklären. Diese Sache aber musste die Sache selbst sein oder gar nichts.
Als sie schließlich zu Bett gingen, lagen sie lange wach und unterhielten sich leise, doch ihr Gespräch drehte sich im Kreis.
16
Beim Frühstück verlor Julia kein Wort über den Vorschlag, »Mommys Haus« zu besuchen, worauf sie am Abend zuvor noch so versessen gewesen war. Es gab auch keine Hinweise auf »Melanie« oder ihr »anderes Leben«. Sie hatte nicht einmal etwas einzuwenden, als Tom ankündigte, dass sie einen Tag eher als geplant nach Hause zurückkehrten. Er und Clare waren übereingekommen, mit Julia ganz offen über einen weiteren Besuch bei Dr. Hunt zu sprechen, wenn sie eine Szene machen sollte.
Doch als es so weit war, nickte sie nur ernst, als hätte sie diese Ankündigung bereits erwartet. Dann sagte sie, dass sie gern mit Charlotte spielen wolle. Clare begleitete Julia; sie und Tom hatten sich geeinigt, dass einer von ihnen das Mädchen stets im Auge behielt, bis sie alle im Flugzeug säßen. Sie glaubten nicht wirklich, dass Julia weglaufen könnte, um ihre Fantasiemutter zu suchen, aber sie wollten kein Risiko eingehen.
Tom blieb zurück und kümmerte sich um das Gepäck und die Abmeldung. Dann ging er in den Spielbereich, wo er die beiden Mädchen fand. Es gab einen Innenbereich mit Pool und einen Außenbereich ohne Pool. Die Mädchen waren draußen. Charlottes Vater beaufsichtigte die beiden auf den Rutschen und Karussells – eher etwas für jüngere Kinder, aber da sie zu zweit waren, hatten sie ihren Spaß.
Ihre Mütter saßen an einem Tisch in der Nähe und tranken Kaffee. Tom setzte sich zu ihnen und goss sich eine Tasse ein. Es war eine ganz normale Szene, zumindest äußerlich; ein Bild, wie man es überall sehen konnte: Familien in den Ferien, die Touristenattraktionen besichtigten und die Kinder bei Laune hielten.
Clare erzählte Pam gerade von Toms Internetsuche nach Material über Reinkarnation, und wie viel er gefunden hatte. Pam gestand, rein gar nichts über dieses Thema zu wissen: Es war ihr nur im Gedächtnis geblieben, nachdem sie vor Jahren diesen einen Artikel gelesen hatte. Wie Tom und Clare glaubte auch Pam nicht an Reinkarnation und dergleichen. Sie schien ängstlich und angespannt zu sein, denn sie warf ständig Blicke zu den spielenden Mädchen hinüber. Tom fragte sich, ob sie befürchtete, Charlotte könne sich bei Julia »anstecken«. Nun – wäre er an der Stelle von Charlottes Eltern gewesen, hätte er nicht anders empfunden. Was hier vor sich ging, war zu fremdartig, als dass man es einfach ignorieren konnte.
Tatsächlich behielten beide Elternpaare ihre Kinder fast ständig im Auge, als hätten sie die Befürchtung, die Kinder könnten verschwinden, wenn sie auch nur eine Sekunde unbeobachtet blieben. Dann bemerkte Tom, dass sich zwischen Julia und Harry, Charlottes Vater, irgendetwas abspielte. Julia sprach mit ihm auf jene ernste Art und Weise, die Kinder an sich haben, und würzte irgendeine Bitte mit einer Fülle zusätzlicher Details, sodass Harry, wie sie hoffte, keinen plausiblen Grund finden würde, ihren Wunsch
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