Mystery Thriller Band 224
in den vergangenen Minuten hatte Daphne gefühlte eintausend Fragen beantwortet. Amber löcherte sie, was das Zeug hielt – dabei wusste sie doch auch rein gar nichts über den süßen Typen von gestern Abend!
„Das habe ich ja“, erwiderte sie seufzend. „Aber wie schon gesagt, da war er auf einmal weg – wie vom Erdboden verschluckt!“
Amber kicherte. „Klingt ja fast, als wärst du einem Geist begegnet. Womöglich dem Geist von Dedmon House, was?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sag mal, bist du sicher, dass da wirklich ein Typ war? Vielleicht waren deine Nerven auch nur etwas überstrapaziert, und …“
„Du glaubst, ich hab das geträumt?“ Daphne starrte ihre Freundin fassungslos an. „Du spinnst ja, ich bin doch nicht blöd!“
„Schon gut, schon gut, ich hab ja nichts gesagt …“ Amber lächelte, und sie gingen weiter.
Während sie über die Mainstreet in Richtung Stadtrand liefen, hielt Daphne wie von selbst Ausschau nach dem blasshäutigen Schönling vom vergangenen Abend. Wer er wohl war? Sie hatte ihn bisher noch nie in Deadman’s gesehen.
Was interessiert es dich? Gibt es nichts Wichtigeres, um das du dich zu kümmern hast?
Sie schüttelte den Gedanken ab, als sie den Wald erreichten. Der helle Sonnenschein des Frühlingstages wurde von den dichten Kronen der Eichen und Buchen gedämpft. Daphne lächelte versonnen. Das war genau die Atmosphäre, die sie sich vorgestellt hatte, als sie zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt hatte, eine eigene Eventstätte für Fantasy-LARPs zu eröffnen. Ein bisschen düster und mysteriös. Einfach geheimnisvoll.
Im Tageslicht wirkte Dedmon House nicht mehr so angsteinflößend wie in der Abenddämmerung. Doch der kunstvoll in Szene gesetzte Verfall des Gebäudes erzielte genau den Effekt, den Daphne sich gewünscht hatte.
Es war perfekt. Na ja, wenigstens nahezu.
„Wann kommt Jack eigentlich?“, erkundigte Daphne sich. „Schläft er noch?“
„Quatsch!“ Amber schüttelte den Kopf. „Da kennst du meinen Liebsten aber echt schlecht. Eigentlich müsste er schon seit ’ner Stunde hier sein.“
„Echt?“
Amber nickte. „Als er hörte, wann wir uns heute treffen, war ihm das eindeutig zu spät. Er wollte noch was mit Mr Johnson besprechen und ist deshalb schon eher los.“
Auf dem Weg zur Eingangstür begegneten sie wieder den Mädchen, die Daphne am vergangenen Tag im Burger Shack kennengelernt hatte. Während Amber schon vorging, um im Haus ihren Liebsten zu begrüßen, blieb Daphne stehen.
„Na, hast du dich gut von dem Schock gestern im Diner erholt?“, fragte die blonde Emma. „Ich hoffe, Tom Levin hat dir deine Ankunft in Deadman’s nicht ganz versaut.“
„Ach, was.“ Daphne schüttelte den Kopf. „So leicht bin ich nicht aus der Ruhe zu bringen.“ Sie lächelte. „Und ihr seid beide schon fleißig? Wo haben Jack und Amber euch eigentlich aufgetrieben?“
„Aufgetrieben ist gut – das alles war Ninas Idee“, erklärte Emma, deren offenes Lächeln total entwaffnend wirkte. „Als sie hörte, dass hier demnächst LARP-Events stattfinden sollen, war sie sofort Feuer und Flamme.“
„Du stehst also auch auf Rollenspiele?“, wandte Daphne sich erfreut an Nina. Deren rotes Haar schimmerte im Sonnenlicht wie edles Kupfer.
Daphne betrachtete sie einen Moment. Nina war wirklich hübsch: Sie gehörte zu dieser ätherischen Sorte von Mädchen mit heller, fast durchscheinender Haut. Ihre grünen Augen ließen vermuten, dass ein Schuss irisches Blut in ihren Adern floss. Sie wirkte ernster und ein bisschen stiller als Emma, doch etwas an der Art, wie sie das Kinn reckte, zeigte, dass sie sich durchzusetzen vermochte.
„Und wie!“, erwiderte sie jetzt strahlend. „Ich lasse mir schon seit Jahren keine Con entgehen!“ Ninas Augen glänzten, während sie erzählte. „Viel geht ja hier in der Gegend was LARPs betrifft bisher nicht ab. Und meistens bin ich nur als NSC dabei, weil ich mir mit dem Taschengeld, das ich in meiner Ausbildung zur Kindergärtnerin verdiene, nichts anderes leisten kann.“
Daphne lachte. Dieses Problem kannte sie nur zu gut. Fast jeder Liverollenspieler fing so oder so ähnlich an. Aber wenn es einen einmal gepackt hatte, war der Weg zur Entwicklung eines eigenen Spielecharakters bald gebahnt.
„Bist du hier aufgewachsen?“, fragte sie.
Nina schüttelte den Kopf. „Ich bin zwar hier geboren, hab aber fünfzehn Jahre lang mit meinen Eltern in Boston gelebt. Ich kann dir sagen, da war was
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