Mystery Thriller Band 224
der Umgebung ausschließlich „Deadman’s Landing“ genannt wurde, kam selten einmal wirklich zur Ruhe. Sobald etwas geschah, ließ ein weiterer mysteriöser Vorfall nicht lange auf sich warten.
Das war wohl auch der Grund, weshalb Sheriff Latimer sich entschieden hatte, neue Deputys aus dem ganzen Bundesstaat anzuwerben.
Zuerst hatte Melissa gezögert, als sie über ihren Vater die Anfrage des Sheriffs erhalten hatte, ob sie es sich nicht vorstellen könnte, für ihn als weiblicher Deputy zu arbeiten. Doch dann, nach ein paar Tagen, war ihr die Idee gar nicht mehr als so absurd erschienen. Immerhin hatte sie die Polizeiakademie absolviert und war ohnehin auf der Suche nach einer Anstellung gewesen, als sie das Angebot aus Dedmon’s Landing erreichte. Für den Einsatz in der Großstadt fühlte sie sich noch nicht wirklich bereit, sodass es vielleicht gar keine schlechte Idee war, dort anzufangen, wo sie sich auskannte: An dem Ort, an dem sie geboren und aufgewachsen war. Und vor allem konnte sie so etwas Abstand gewinnen. Abstand zu dem schrecklichen Ereignis, das alles verändert hatte und sie keine Nacht mehr ruhig schlafen ließ.
Zumindest hoffte sie, dass es ihr in Deadman’s Landing gelingen würde, wieder mal an etwas anderes zu denken …
Sie fuhr von der Mainstreet ab und bog in eine schmale, von Birken gesäumte Straße ein. Hier standen nur Einfamilienhäuser, allesamt mit penibel gepflegten Vorgärten und eigenen Garagen, und trotz der schlechten Sichtverhältnisse wusste Melissa genau, dass sich in dieser Straße garantiert nichts geändert hatte. Denn hier hatte sich noch nie irgendetwas verändert.
In dem Haus ganz am Ende der Straße auf der rechten Seite hatte der Arzt Pete Carlisle bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren nicht nur mit seiner Familie gelebt, sondern auch praktiziert.
Es war das Haus, in dem Melissa aufgewachsen war.
Unwillkürlich tauchten Bilder vor ihrem geistigen Auge auf: Sie sah sich selbst, wie sie mit ihrem Hund Champ im Garten herumtobte, roch den Duft des Apfelkuchens ihrer Mutter, den sie stets aus den Früchten ihres eigenen Apfelbaumes gebacken hatte.
Mom …
Natürlich verband sie dieses Haus unwillkürlich mit ihren Eltern. Mit Pete Carlisle, dem allseits beliebten Arzt, und mit Shoana Carlisle, ihrer Mutter, die einst für ihre Familie ihre Modelkarriere aufgegeben hatte.
Kurz schloss Melissa die Augen. Sie wusste, wenn sie jetzt ausstieg und ins Haus ging, würde sie nur noch ihren Vater dort antreffen. Ihre Mutter befand sich jetzt fast achttausend Meilen entfernt in Rio de Janeiro und dachte wahrscheinlich nur noch selten an ihre alte Familie …
Melissa hatte sich angeschnallt und wollte gerade die Wagentür öffnen, als der Klingelton ihres Handys die abendliche Stille zerriss. Ein Blick aufs Display zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, und sofort nahm sie das Gespräch an.
„Hey, Mona!“, rief sie erfreut aus. „Mensch, ich bin echt froh, dass du anrufst! Du glaubst nicht, was ich für eine langweilige Fahrt hinter mir habe.“
„Aber du bist doch wohl hoffentlich inzwischen bei deinem Vater angekommen?“, erkundigte Mona sich. Ihre Stimme klang hell und freundlich wie immer.
„Noch nicht ganz. Ich bin eben vorgefahren und wollte gerade aus dem Wagen steigen. Ich hab dir ja schon per SMS mitgeteilt, dass ich ziemlich Pech mit Staus hatte. Und du? Wie ist es bei deiner Grandma.“
„Öde wie immer.“ Mona lachte. „Na ja, eigentlich ganz okay. Aber du weißt ja: Ohne meinen Computer und Internet bin ich total aufgeschmissen. Na ja, zum Glück bin ich ja schon morgen Abend wieder in Boston, und dann können wir auch wieder skypen.“
„Ich kann’s kaum erwarten …“ Melissa seufzte. „Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen, Süße. Hier draußen im Wagen wird’s mir doch etwas zu ungemütlich. Wir sprechen uns dann spätestens morgen, okay?“
„Geht klar.“
Melissa beendete das Gespräch, steckte das Handy in ihre Jackentasche und stieg aus dem Wagen. Ihr Gepäck würde sie später holen. Einen Moment lang blieb sie einfach draußen stehen, ohne sich zu rühren.
Also dann, Melissa Carlisle: Willkommen in der Vergangenheit!
Sie atmete tief durch und ging auf die Haustür zu.
Das Wiedersehen mit ihrem Vater war weitaus emotionaler verlaufen, als Melissa angenommen hatte. Kaum, dass er vor ihr stand, war sie in Tränen ausgebrochen und ihm um den Hals gefallen. Zum ersten Mal hatte sie sich in diesem Moment wirklich
Weitere Kostenlose Bücher