Mystery Thriller Band 224
Scherze abtun können. Aber wenn sich wirklich jemand im Haus befand, erfüllte das den Tatbestand des Einbruchs und des Hausfriedensbruchs. Und da hörte jeder Spaß endgültig auf.
Entschlossen trat Melissa hinaus auf den Flur. Noch immer war das Stöhnen zu vernehmen. Sie drückte auf den Lichtschalter und machte sich darauf gefasst, sich jemandem gegenüber zu sehen – und erstarrte, als sie erkannte, dass da niemand war.
Keine Menschenseele.
Und mit einem Mal war es auch wieder grabesstill um sie herum.
Ungläubig schüttelte Melissa den Kopf. Wie konnte das sein? Gleichzeitig überkam sie aber auch Erleichterung, denn erst jetzt wurde ihr wirklich klar, dass eigentlich nicht die Frauen aus den Groschenromanen sich dumm verhalten hatten, sondern eindeutig sie selbst! Wenn sich wirklich ein Einbrecher im Haus aufgehalten hätte, hätte sie sich durch ihr kopfloses Vorstürmen in ziemliche Gefahr gebracht.
Aber das war jetzt nebensächlich, denn obwohl sie ganz sicher gewesen war, aus dem Flur Geräusche zu vernehmen, deutete nun, im hellen Schein der Deckenlampe, nichts darauf hin, dass hier jemand gewesen war.
Sicherheitshalber sah sie noch im angrenzenden Bad nach, doch auch dort war niemand. Und dass derjenige, den sie gehört zu haben glaubte, einfach schnell die Treppe hinuntergerannt war, konnte sie ebenfalls ausschließen, denn das hätte sie garantiert gehört, allein schon, weil die Treppen alt waren und ziemlich knarrten.
Trotzdem: Sicher ist sicher, sagte sie sich und ging nach unten, um auch dort nach dem Rechten zu sehen. Obwohl sie sich bemühte, leise zu sein, allein schon, um ihren Vater nicht zu wecken, erschien das Knarren der Stufen unnatürlich laut in der Stille. Keine Chance also, dass sich hier jemand leise und unbemerkt davongeschlichen hatte!
Als sie die untere Etage erreichte und bemerkte, dass in der Küche Licht brannte, erschrak sie zunächst, bis ihr klar wurde, dass sicher kein Einbrecher der Welt bei brennender Lampe in der Küche sitzen und Tee trinken würde.
Und so war es dann auch: Als sie in die Küche trat, fand sie dort nämlich keinen Einbrecher vor, sondern ihren Vater, der am Tisch saß und wieder einmal in einer seiner Medizinzeitschriften blätterte. Vor ihm auf dem Tisch stand ein Glas Milch.
„Dad“, sagte sie, als sie eintrat. „Du bist noch wach? Geht’s dir nicht gut?“
Er blickte auf und schaute sie kopfschüttelnd an. „Ach, weißt du, seit einiger Zeit habe ich es nicht mehr so mit dem Schlafen.“ Er winkte ab. „Das ist so, wenn man alt wird, wirst schon sehen.“
Melissa lächelte. Doch natürlich wusste sie, dass es bei ihrem Vater nichts mit dem Alter zu tun hatte. „Es ist wegen Mom, nicht wahr?“
„Vielleicht ein bisschen. Und ich vermisse meine Arbeit. Als pensionierter Arzt kommt man sich schnell überflüssig vor, weißt du? Aber lass uns nicht von mir reden. Warum bist du denn noch wach? Du brauchst doch deinen Schlaf. Ist es wegen Harry?“
„Ach, eigentlich nicht“, antwortete sie rasch. Sie wollte jetzt nicht darüber sprechen. „Hör zu, Dad, ich hab schon geschlafen, und als ich wach wurde, meinte ich, etwas gehört zu haben. Es hatte so geklungen, als sei da jemand … Warst du vielleicht vorhin kurz oben?“
„Ich? Bei dir oben?“ Mr Carlisle schüttelte den Kopf. „Nein, da musst du dich getäuscht haben. Vielleicht kam der Lärm von hier unten, als ich hier in der Küche zugange war? Oder es war nur der Wind …“
Melissa seufzte leise. Sollte sie sich wirklich so getäuscht haben? War es am Ende wirklich nur der Wind gewesen, der ihren Sinnen einen Streich gespielt hatte? Aber sie war sich doch so sicher gewesen, ihren Namen gehört zu haben!
Deinen Namen … was für ein Unsinn! Welcher Einbrecher würde denn nach dir rufen, nachdem er ins Haus eingedrungen ist? Und wie du es auch drehst und wendest – außer dir und deinem Dad ist nun mal niemand im Haus!
Abermals seufzte sie. Vielleicht sollte sie sich wirklich keine Gedanken mehr machen. Ihre Nerven waren momentan angespannt, da war es nicht auszuschließen, dass sie sich nur vertan oder sich alles vielleicht sogar nur eingebildet und dann überreagiert hatte. Kurz überlegte sie, ihrem Vater endlich von den Drohungen zu berichten, verwarf den Gedanken aber sogleich wieder. Sie wollte ihn nicht beunruhigen, sondern erst noch abwarten.
„Wahrscheinlich hast du recht“, sagte sie deshalb und wandte sich ab. „Ich gehe dann mal wieder schlafen.
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