Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
oder?«
»Klar.«
Sie lächelt breit. »Weil dein Nachname Rose ist.«
»Ja, verstehe.«
»Ist schon komisch«, sinniert Ryah und setzt sich auf eins der Betten. »Als ich die Farbe ausgesucht habe, wusste ich noch gar nicht, dass du hier schlafen würdest. Und da soll mir mal einer erzählen, er glaube nicht an Schicksal!« Sie lacht. »Das Leben ist manchmal verrückt, oder?«
»Zweifellos«, antworte ich und bleibe in der Zimmermitte stehen. Jeder Einrichtungsgegenstand ist dreifach vorhanden: Bett, Kommode, Schreibtisch mit TouchMe. Auf einem der Schreibtische steht eine gläserne Vase mit Unkraut, das so tut, als wäre es ein Bouquet aus exotischen Blüten. Wetten, das ist Ryahs Schreibtisch?
Ryah zeigt auf das Bett am Fenster mit lila Steppdecke und passendem Kissen. »Das ist deins.« Sie geht zu einem der Schreibtische und nimmt den TouchMe. »Und das ist auch für dich. Gleiche Nummer, neues Gerät.«
Sie reicht mir das Gerät und ich scrolle durch die Menüs. Keiner meiner gespeicherten Texte wurde herüberkopiert, es finden sich keine Hinweise auf meine Familie und meine Freunde. Dieser TouchMe ist ein sauberer Schnitt, ein kompletter Neuanfang.
»Großartig«, sage ich. »Danke.«
»Turk hat uns gebeten, unsere Nummern in dein Adressbuch einzutragen – für alle Fälle.« Sie geht zum Schrank, öffnet ihn mit einem Druck auf das Touchpad und zeigt mir die Kleidung. »Wir haben zwar nicht genau dieselbe Größe, aber du kannst dir alles von mir leihen, was du möchtest. Und von Shannon selbstverständlich auch.«
»Shannon schläft auch hier?«, frage ich.
Ryah nickt und deutet auf das Bett neben der Tür.
»Shannon wird wohl kaum begeistert davon sein, wenn ich mir ihre Klamotten leihe. Wir sind nicht gerade die besten Freundinnen.«
»Mach dir nichts draus«, sagt Ryah und winkt ab. »Shannon gibt sich gern hart nach außen, aber in Wirklichkeit ist sie ein Schatz. Nur sehr reizbar – wie wir alle.«
Einen Moment lang stehen wir schweigend da. »Das Badezimmer ist am Ende des Flurs. Und hier bewahren wir etwas Geld für Notfälle auf.« Ryah streicht über die Wand neben der Tür. Ich erkenne ein Viereck. Sie packt einen kleinen Griff, der die Farbe der Wand hat und daher für das bloße Auge kaum sichtbar ist, und zieht. Das viereckige Türchen öffnet sich und ein Fach, gefüllt mit kleinen Lederbeuteln, kommt zum Vorschein. »Münzen«, sagt sie.
Ich nicke. In den Horsten zahlt man mit Kreditkarte, hier in der Tiefe geht nichts ohne Bargeld.
»Nur für den Notfall«, sagt Ryah. Sie schließt den Geheimsafe und wendet sich wieder mir zu. »Bald gibt es Abendessen. Warum ruhst du dich nicht ein bisschen aus? Danach ziehst du dich um und kommst nach unten. Such dir aus, was du willst. Du gehörst ja jetzt zur Familie.« Im Gehen ruft sie noch »Bis später!« über die Schulter zurück.
Familie.
Ein ziemlich belastetes Wort.
Nach einem Nickerchen ziehe ich mir ein dunkelblaues Trägerhemd und eine enge Jeans an, dann suche ich mir ein Paar Sneaker, die aussehen, als wären sie längere Zeit nicht getragen worden. Ich gehe nach unten in den Essbereich und setze mich zu Turk und Ryah an den Tisch. Mit größter Genugtuung habe ich das rote Kleid von Thomas in den Müll geworfen. Allerdings fühle ich mich in den geborgten Kleidern auch etwas seltsam.
Jarek und Shannon unterhalten sich, doch als sie mich bemerken, schweigen sie und wenden den Blick ab.
Außer uns ist nur noch eine Gruppe von Männern da, die älter als mein Vater sind. Sie drängen sich an einem anderen Tisch zusammen und schenken uns keinerlei Beachtung.
Behänge mit mystischen Motiven zieren die Wände: Ich erkenne die »Hände von Fatima«, diesmal in feinster Perlenstickerei ausgeführt, daneben mir unbekannte Formen, die mit bunten Steinen und Keramikplättchen verziert sind. Auch die gelockten Frauen aus dem Farmhaus, die sogenannten »Schwestern«, tauchen wieder auf.
»Tut mir leid, aber ein Festmahl ist das nicht gerade«, sagt Turk. »Die Einzigen, die gut kochen konnten, haben das Versteck verlassen. Wir müssen also selbst zurechtkommen.«
Der Tisch ist gedeckt, in der Mitte steht ein Krug mit Eiswasser. »Mach dir keine Gedanken«, antworte ich. »Ich bin nicht wählerisch.«
»Ist sonst alles in Ordnung?«, erkundigt sich Ryah.
»Ja, danke noch mal für die Führung«, sage ich.
»War mir ein Vergnügen«, sagt Ryah.
»Ist das mein T-Shirt?«, fragt Shannon und beäugt mein Trägerhemd.
»Immer
Weitere Kostenlose Bücher