Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
mit der Ruhe«, mischt sich Ryah ein. »Reiß dich mal ein bisschen zusammen.« Sie legt den Kopf schief und lächelt mich an. »Aria, das T-Shirt steht dir super!«
Als ich gerade fragen will, was es zu essen gibt, stürmt Landon mit einer runden Platte herein. »Das Abendessen ist fertig«, sagt er und legt jedem von uns eine Scheibe rohes Fleisch auf den Teller. Ich komme zuletzt an die Reihe. Mir fällt auf, dass er mir das kleinste Stück auflegt.
Lächelnd sehe ich ihn an. »Danke vielmals, Landon.«
»Okay«, sagt er. » Bon appétit .« Dann eilt er mit der leeren Platte in die Küche zurück.
Ich starre auf meinen Teller und erinnere mich an das halb rohe Steak bei Thomas.
»Stimmt was nicht?«, fragt Ryah besorgt. »Magst du dein Fleisch lieber gut durch?«
»Jedenfalls ein bisschen mehr gebraten als so«, erwidere ich.
Ryah kichert. »Na, das ist ja wohl klar!« Sie schlägt mit der Faust auf den Tisch.
»Dann brat dir dein Fleisch doch einfach selber«, faucht Shannon.
»Okay«, meint Ryah.
Sie streckt die Hand aus und ich höre das vertraute Summen mystischer Energie. Dünne Strahlen schießen aus Ryahs Fingerspitzen und tauchen den Teller in ein grünes Licht. Sie ballt die Finger zur Faust, die Strahlen verschmelzen miteinander, werden dabei aber ein wenig schwächer. Das mystische Licht ist genau auf mein Steak ausgerichtet, das nun vor meinen Augen gebraten wird. Grillen ohne Rauch. Ein köstlicher Duft verbreitet sich im Raum.
»Arme Ryah«, sagt Jarek. Zum ersten Mal höre ich ihn sprechen – sein Bariton würde eher zu jemand passen, der doppelt so alt ist. »Sie möchte eine mächtige Mystikerin sein, dabei ist sie nicht mehr als eine mittelprächtige Mikrowelle.«
Ryah lacht. »Ach, Jarek. Du weißt doch genau, dass ich dich in einer Sekunde abfackeln könnte.« Sie öffnet ihre Hand, die Strahlen versiegen und mein Fleisch ist perfekt durchgebraten. »Aber das würde ich natürlich nie tun«, fügt sie hinzu.
»Natürlich nicht«, sagt Jarek, während Ryah sich Shannons Abendessen vornimmt. »Ernsthaft, Aria, du solltest sie mal in voller Action sehen.«
»Da hat er nicht ganz Unrecht«, sagt Ryah sachlich. »Ich verfüge über außergewöhnliche Kräfte.« Sie spreizt die Finger. »Diese Hände können die Hölle entfachen.«
Hunter hat mir einmal erklärt, dass die Kräfte eines Mystikers so einzigartig sind wie seine Persönlichkeit. Manche können Teewasser zum Kochen bringen, indem sie die Fingerspitze hineintauchen. Manche aber können ganz Erstaunliches vollbringen, so wie Hunter, der durch Wände gehen oder sich durch die Decke fallen lassen kann. Davida konnte sogar die Gestalt anderer Menschen annehmen – eine Begabung, die außerordentlich selten ist.
»Was ist denn deine Gabe?«, frage ich Jarek.
Jarek runzelt die Stirn, doch ehe er etwas erwidern kann, kommt Landon mit einer Schüssel gedünstetem Gemüse zurück und setzt sich Turk gegenüber. »Na, Jarek«, frotzelt er, »willst du es ihr nicht verraten?«
Shannon macht ein schiefes Gesicht, so als wollte sie Einspruch erheben.
»Mir was verraten?«, frage ich.
Ehe Jarek auch nur einen Finger heben kann, streckt Landon die rechte Hand aus und drück die Fingerspitzen zusammen: Ein grüner Strahl mystischer Energie, so breit wie sein Handgelenk, schießt hervor und trifft mitten in mein Wasserglas.
Ich erwarte, dass es zerspringt, doch es geschieht nichts dergleichen. Nur das Wasser darin gefriert sofort zu Eis.
»Ich kann Flüssigkeiten verfestigen«, sagt Landon und wölbt seine Brust. »Und andersherum.« Er feuert einen zweiten Strahl auf das Glas ab und das Eis wird wieder zu Wasser. »Das klappt auch mit Regenwasser, ganzen Seen, Flüssen, … was immer du willst. Der arme Jarek hier«, seine Stimme nimmt einen spöttischen Ton an, »bringt hingegen nicht viel zustande.«
»Lass Jarek in Ruhe«, mischt sich Ryah ein und brät das nächste Stück Fleisch. »Sei einfach still und iss.«
»Stimmt das, Jarek?«, frage ich.
Er verdreht die Augen. »Natürlich nicht.« Er boxt Landon gegen die Schulter. »Das ist nur wieder mal einer von Landons dummen Witzen.«
Ryah ist inzwischen mit dem Braten fertig und setzt sich wieder an ihren Platz. »Haut rein.«
Ich probiere einen Bissen – mein Steak ist perfekt. Ich weiß nicht, ob es am Schock, an der Erschöpfung oder an der Tatsache liegt, dass ich seit gestern nichts mehr gegessen habe, aber dieses Essen erscheint mir auf einmal als das
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