Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
will, nachdem meine Geheimnisse ans Licht gekommen sind?
»Hallo? Horste an Aria?« Kyle lacht.
»Was gibt’s, Kyle? Hast du nichts Besseres zu tun, als mir hinterherzutelefonieren, jetzt wo du so ein viel beschäftigter Mann bist?« Meine Stimme trieft vor Sarkasmus.
Er schnaubt. »Reiner Zeitvertreib. Heute habe ich mich prächtig amüsiert.«
» Amüsiert , ja? Deinetwegen sind Unschuldige gestorben.«
»Siehst du, da liegst du ganz falsch. Diese Unschuldigen sind deinetwegen gestorben, nicht meinetwegen. Und zwar weil du dich nicht freiwillig stellst.«
Er macht mich wütend. Ich gehe zur Tür und überprüfe, ob sie abgeschlossen ist, damit mich niemand stören kann. »Das ist nicht wahr und das weißt du genau«, erwidere ich.
»Dad wird sich freuen, wenn er hört, dass ich mit dir gesprochen habe«, sagt Kyle. Ich erkenne an seiner Stimme, dass er dabei grinst. »Und wenn du es genau wissen willst: Er hat mich darum gebeten, dich anzurufen.«
»Ach ja?«
»Ja. Du kannst dir sicher denken, dass er nicht gerade glücklich darüber war, wie die heutige Aktion gelaufen ist. Er will, dass wir uns endlich die Hände reichen. Er will alles wiedergutmachen.«
Die Vorstellung, meinen Eltern gegenüberzustehen, macht mich wütend und nervös zugleich. »Was wollen sie denn wiedergutmachen? Dass sie mich beinahe umgebracht haben?«, frage ich höhnisch. »Dass sie mir das Leben zur Hölle gemacht haben?« Ich hole tief Luft. Ruhig, Aria. Konzentrier dich. »Hör zu, Kyle. Wir müssen reden.«
»Tun wir das nicht gerade?«, spöttelt er.
»Ich meine, von Angesicht zu Angesicht. Und zwar bald.«
Wenn meine Eltern sich aufrichtig mit mir versöhnen wollten, hätten sie sich persönlich bei mir gemeldet. Haben sie aber nicht. In diesem Moment wird mir noch einmal klar, dass ich sie nie von meinen Ansichten überzeugen werde, geschweige denn ihre Einstellung zu diesem Krieg beeinflussen kann. Aber vielleicht ist bei Kyle noch nicht alles verloren.
»Zu viele Menschen müssen leiden. Du kannst doch nicht ernsthaft den Tod aller Menschen in der Tiefe wollen. Es muss doch ein Abkommen möglich sein, mit dem alle Seiten leben können.«
»Ein Abkommen?«, erwidert Kyle schrill. »Mit diesen Tieren? Ganz bestimmt nicht.«
»Kyle.« Am liebsten würde ich in den TouchMe springen und meinen Bruder erwürgen. »Wir alle, du und Dad und die Fosters und Hunter und die Mystiker, wir müssen uns wie zivilisierte Menschen an einen Tisch setzen und einen Plan für die Stadt entwickeln. Unschuldige leiden, viele sind schon gestorben.«
Ich denke an Thomas’ Worte: Andere Städte beobachten uns und warten nur auf den richtigen Moment, um Manhattan zu übernehmen. Kyle weiß das bestimmt. Dann weiß er auch, dass wir diesen Krieg beenden müssen, damit wir am Ende nicht alle als Verlierer dastehen.
»Es wird nicht mehr lange dauern, dann sind auch die Horstbewohner in Gefahr«, füge ich hinzu. »Die Vorräte an mystischer Energie werden irgendwann aufgebraucht sein. Ihr werdet Hilfe brauchen. Sonst wenden sich eure Unterstützer von euch ab … und was ist dann?«
Es folgt langes Schweigen. Schließlich räuspert sich Kyle. »Okay, ich bin bereit, mich mit Hunter zu treffen und zu verhandeln. Ich würde sogar Thomas Foster anrufen und ihn dazubitten. Nennen wir es ein Friedensgespräch. Versprechungen kann ich dir keine machen, aber selbst Dad will keinen Krieg, der ewig dauert. In den Horsten läuft vieles nicht mehr so glatt, seit die Mystiker die Abschöpfung verweigern … Vielleicht finden wir tatsächlich einen Kompromiss. Aber dieses Gespräch wird nur unter einer Bedingung stattfinden: Vorher triffst du dich mit mir, und zwar ohne deine Mystikerfreunde.«
Ich denke kurz nach. Zuerst müsste ich Hunter dazu bringen, sich mit Kyle und Thomas zu treffen, aber das erscheint mir machbar. Besonders, da Kyle überraschenderweise zum Gespräch bereit ist – auch wenn das in seiner öffentlichen Erklärung, die nur wenige Stunden zurückliegt, noch ganz anders klang. »Warum sollen wir uns allein treffen?«
»Weil ich dein Bruder bin. Und weil ich noch eine Chance verdient habe, dich von unserer Sache zu überzeugen«, sagt er. »Und davon, dass es das Beste ist, wenn du wieder nach Hause kommst.«
»Das ist reine Zeitverschwendung, Kyle«, antworte ich. »Ich komme auf gar keinen Fall nach Hause. Ich will nicht bei Eltern leben, die eher meinen Tod in Kauf nehmen würden, als mich glücklich mit dem Mann zu sehen,
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