Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Titel: Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Lawrence
Vom Netzwerk:
auszuspionieren.
    Im Nu bin ich die Treppe runter und unterwegs zum Prächtigen Block.
    »Reicht das?«
    »Nein.« Ich ziehe mir meine Baseballkappe tiefer ins Gesicht, um meine Augen zu verstecken. »Ich will in den Block hinein.«
    Der Gondoliere wirft einen Blick auf die imposanten Schuttberge, die aus dem Wasser aufragen. »Zu gefährlich«, sagt er. Er ist ungefähr im Alter meines Vaters, sein grau meliertes Haar zerzaust und sein Gesicht zerschunden: Ein Auge ist zugeschwollen, seine Lippen sind aufgeplatzt und er hat kaum noch Zähne.
    Er hält das Boot an. »Weiter fahre ich nicht«, beharrt er.
    »Hören Sie«, sage ich und hole meinen kleinen Beutel mit Münzen heraus. »Ich habe genug Geld. Bitte, nur noch ein Stück!« Ich öffne den Beutel, damit er hineinsehen kann.
    »Das ist doch Wahnsinn«, brummt er, nimmt das Steuer und fährt in den Block hinein. »Du bist verrückt, Mädchen.«
    Von der beeindruckenden Ziegelmauer, die früher den Prächtigen Block umgab, ragen nur noch rote und braune Trümmer aus dem Wasser wie Grabsteine. Sofort wird mir klar, warum der Gondoliere nicht hier reinfahren wollte – überall ist Schutt. Er muss aufpassen, dass sich das Boot nicht zwischen Metallteilen oder alten Trägern verkeilt.
    Es riecht nach einer Mischung aus Tang und vergorener Milch. Die labyrinthartig angeordneten Stahlstege, auf denen man zu Fuß den Block durchqueren konnte, sind durch die Bombardierung zerstört worden. Von den Häusern, in denen einst die registrierten Mystiker wohnten, steht kein einziges mehr.
    Die düsteren Schatten weichen dem sanften Morgenlicht, das sich über das grünschwarze Wasser legt. Die Gondel macht kleine Wellen.
    »Beinahe idyllisch hier«, sage ich zu dem Gondoliere. »Finden Sie nicht auch?«
    Er wirft mir einen Blick zu, der mir schlagartig klarmacht, wie dumm ich daherrede. »Natürlich sind die Zerstörungen furchtbar, aber … Na ja, egal, vergessen Sie’s.«
    Nach einigen Minuten erreichen wir die Stelle, wo vor der Bombardierung eine Insel war. Hunter und ich sind hier oft spazieren gegangen. Er hat mir von seinem Großvater Ezra Brooks erzählt, der bis zu seinem Tod für die Rechte der Mystiker gekämpft hat. Danach hat Hunters Mutter Violet diesen Kampf fortgeführt. Jetzt ist Violet tot und Hunter hat als Einziger seiner Familie überlebt. Was für eine Bürde.
    Nach einer Weile erreichen wir einen Hügel aus brauner Erde, der begehbar scheint. Darauf stehen verkohlte Bäume.
    Ein Stück Holz, vermutlich einer der Pfähle, auf denen die Mystikerhäuser standen, ragt aus dem Wasser. »Können Sie dort anlegen und auf mich warten?«, frage ich.
    Der Gondoliere leckt sich über die ausgetrockneten Lippen. »Nein.«
    Ich blicke mich um. Niemand zu sehen. Ich will hier auf keinen Fall stranden, wenn Kyle nicht auftaucht. »Es dauert nicht lange. Höchstens fünfzehn Minuten.« Ich schüttele den Beutel mit Münzen. »Und wenn sie mich zurück in die Stadt bringen, bekommen Sie den ganzen Beutel.«
    Er stößt einen Pfiff aus. »Fünfzehn Minuten. Dann bin ich weg. Und die Hälfte sofort.«
    Ich nicke und erhebe mich schwankend. Der Gondoliere hilft mir beim Aussteigen. Ich lasse einen Teil der Münzen in seine Hand fallen, den Rest stecke ich ein. »Viel Glück!«, ruft er mir nach, als ich den ersten Fuß auf den matschigen Untergrund setze.
    »Danke.« Glück kann ich wahrlich brauchen.
    Kyle hat als Treffpunkt Belvedere Castle vorgeschlagen – oder vielmehr das, was davon übrig ist. Turk hat auf meine Nachricht noch nicht geantwortet. Ist er schon da? Versteckt er sich? Oder hat er plötzlich seine Meinung geändert?
    Ich gehe auf die Große Wiese zu, früher das Herzstück des Blocks. Ich bin aber nicht hundertprozentig sicher, wo ich bin, weil alle früheren Orientierungspunkte verschwunden sind. Die Große Wiese liegt höher als der Rest des Parks, daher ist sie niemals überflutet worden.
    Als ich mit Hunter mal auf dem Jahrmarkt war, reihte sich hier Stand an Stand, Mystiker verkauften ihre Waren und der Duft von frisch gebackenen Muffins, Keksen und Brot lag in der Luft. Alles war erleuchtet – von den Lampions der Mystiker und den Feuerwerksraketen. Und wie die Lichter habe auch ich gestrahlt, weil Hunter bei mir war.
    Jetzt sind alle Mystiker fort, einen Jahrmarkt wird es hier nie mehr geben. Das bräunlich gelbe Gras ist verschwunden, stattdessen laufe ich durch klebrigen Schlamm. Verschwunden sind auch die Lilienbeete in den winzigen

Weitere Kostenlose Bücher