Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
richtig los. Niemand hat mitgekriegt, was passiert ist. Auf einmal bekomme ich einen solchen Hass auf diese Leute – und es sind ja auch noch meine Leute –, dass ich fast daran ersticke. Kiki ist nicht in der Küche, auf der Suche nach ihr öffne ich jede Tür im Apartment. Meinen vermissten Verlobten habe ich schon abgeschrieben.
Zuerst lande ich in einer Art Büro. Ein Pärchen schläft unter dem Schreibtisch seinen Rausch aus. Dann entdecke ich die Bibliothek von Bennies Vater. Drei Typen rauchen dort Gras. Dann kommt ein vollgestopfter Fitnessraum, der wahrscheinlich nie benutzt wird. Ich öffne die Tür und drücke auf den Lichtschalter.
Da ist also mein Verlobter. Und er küsst gerade jemanden, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Aria Rose heißt.
Der Kragen seines hellblauen Hemds steht offen, ebenso sein Gürtel. In seinen Armen: Thea Monasty. Das Oberteil ihres Kleides ist nach unten verrutscht und enthüllt einen rosa Spitzen- BH . Thomas’ Kinn ist mit Lippenstift verschmiert, sein dunkles Haar zerzaust, als hätte Thea es eine Stunde lang bearbeitet. Sein Gesichtsausdruck ist unbezahlbar: eine Mischung aus Staunen, Angst, Verlegenheit und Lust. Er stößt Thea so heftig weg, dass sie beinahe hinfällt.
»Aria! Ich kann alles erklären«, ruft er, aber ich bin schon weg, zur Tür hinaus, den Flur entlang. Ich renne, so schnell mich meine Absätze tragen.
15
Es gibt nur einen Menschen, mit dem ich reden kann, mit dem ich reden möchte . Hunter.
Der Bug der Gondel schiebt sich langsam durch den Kanal am Broadway. Rechts und links bilden sich kleine Wellen. Mein Kopf schwirrt noch von Bennies Partyalbtraum. Eigentlich müsste ich mich verletzt fühlen, weil Thomas heimlich was mit Thea Monasty hat. Wie lange geht das wohl schon? Aber ich habe kein Recht, mich aufzuregen, schließlich habe auch ich einen anderen geküsst.
Ich bin ziemlich überrascht darüber, dass ich so mir nichts, dir nichts abhauen konnte und offenbar niemand meine Schritte überwacht. Ich habe keine Möglichkeit, Hunter zu kontaktieren. Also habe ich dem Gondoliere gesagt, er solle mich zum Prächtigen Block bringen. Dort werde ich weitersehen.
Wir fahren an hohen, düsteren Gebäuden vorbei und unter Brückenbögen hindurch. Wir passieren andere Gondeln und Wassertaxis. Ich weiß nicht, wie lange wir schon unterwegs sind, als die Mystikertürme entlang des Hauptkanals in mein Blickfeld rücken. Ihr Leuchtrhythmus ist heute anders als sonst: Das Licht wird abwechselnd heller und dunkler, lodert auf und erlischt im Takt einer stummen Musik. Dem Gondoliere scheint nichts aufzufallen, er hält den Blick starr nach vorn gerichtet.
Auf einmal beginnt sich das Medaillon an meinem Hals zu erwärmen. Ich nehme es in die Hand und stelle fest: Es glüht! Dazu verströmt es ein warmes, goldenes Licht. Ich versuche wie schon so oft, es zu öffnen, aber noch immer kann ich keinen Verschluss ertasten. Ich schiebe es wieder unter mein Kleid, sonst wird der Gondoliere am Ende noch misstrauisch. Jetzt brennt das Schmuckstück regelrecht auf meiner Haut.
Warum reagiert es gerade jetzt? Als Frank es berührt hat, hatte er gerade Stic genommen. Vielleicht hat die »Überdosis« Energie das Medaillon aktiviert …
Manche Türme werden heller, wenn wir uns nähern, andere leuchten nur schwach, und das Medaillon pulsiert, als wäre ein menschliches Herz darin gefangen. Ich versuche mich an das Ergebnis der Beobachtungen zu erinnern, die ich von meinem Fenster aus gemacht habe. Die Dauer der einzelnen Farbphasen – weiß, gelb, grün – war bei jedem Lichtturm anders.
Folge den Lichtern, hat Tabitha gesagt.
Okay, Tabitha. Genau das mache ich.
»Entschuldigung?«, rufe ich dem Gondoliere zu.
Er hebt den Kopf.
»Können wir bitte weiter geradeaus fahren?«
Er deutet nach links. »Der Block liegt dort drüben, Miss.«
»Mein Ziel hat sich geändert. Weiter geradeaus, bitte.«
Vor uns gabelt sich der Kanal: Rechts pulsieren die Türme hellgrün. Das Medaillon erhitzt sich weiter und sein innerer Puls scheint sich zu beschleunigen. Links geben die Türme nur ein fahles Leuchten ab.
»Hier nach rechts«, sage ich.
Wortlos folgt er meiner Anweisung.
Es geht an einer Reihe abbruchreifer Gebäude mit schäbigen Markisen und noch schäbigeren Anlegern vorbei. Mehrere Boote liegen dort an den Pfählen; die Gondolieri rauchen und warten auf Passagiere. Sie unterhalten sich und beobachten uns.
Als wir uns dem am stärksten
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