Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
Verbindungen. Sie können sich also überall verbergen und mich beobachten, zum Angriff bereit.
Ich muss mir ein Versteck suchen. Ich schwinge ein Bein über das Geländer, um mich an einer schattigen Stelle nach unten fallen zu lassen, doch mein Kleid verfängt sich, und ich hänge fest. Der Stoff hat sich an einem winzigen Metallvorsprung verhakt – ich zerre und ziehe, klettere wieder zurück auf den Steg und versuche mich zu befreien – ohne Erfolg. Mit lautem Ratschen reißt der Stoff vom Saum bis zur Hüfte und schließlich schneide ich mir auch noch ins Bein.
Ein Schmerzensschrei entfährt mir. Ich schlage die Hand vor den Mund und bete, dass mich niemand gehört hat. Ein Blutrinnsal läuft an meiner Wade hinunter. Heute Nacht geht aber wirklich alles schief!
Plötzlich höre ich, wie sich auf dem dunklen Steg stampfende Schritte nähern. Es klingt wie eine Herde Elefanten. Jemand hat mich gehört.
Die Lichter gehen so schnell an und aus, dass ich nicht erkennen kann, wer oder was da auf mich zukommt. Bis der Lampenschein auf einen goldblonden Haarschopf fällt. Hunter.
»Aria?« Er trägt ein ärmelloses schwarzes Shirt und eine enge Jeans. »Was zum Teufel machst du hier?«
»Freue mich auch, dich zu sehen.«
Er blinzelt. »Tut mir leid. Ich wollte sagen: Hey.«
»Hey.«
Er lächelt ein wenig unsicher. »Im Ernst: Was machst du hier?«
»Ich habe dich gesucht.« Die Worte rutschen mir einfach so heraus.
Er nimmt mich in den Arm. »Hier bist du nicht sicher«, flüstert er. »Komm mit.«
Hunter tritt zurück und nimmt meine Hand. Diesmal sendet seine Berührung nur einen winzigen Funken aus. Nichts im Vergleich zu dem Energiestoß, den ich beim ersten Mal gespürt habe. Jetzt fühlt sich seine Hand warm und tröstend an. Offensichtlich kann er seine Energie inzwischen besser dosieren.
Er führt mich den Steg entlang. Wir biegen nach rechts in einen anderen Tunnel ab. »Was ist das für ein Ort?«, frage ich.
»Nach dem Großen Feuer«, sagt Hunter, »mussten sich alle Mystiker bei der Regierung registrieren lassen und danach wurde ihre Energie abgeschöpft. Aber einige haben nicht mitgemacht und sich in dieses Tunnelsystem zurückgezogen. Damals stand hier noch alles unter Wasser und war akut einsturzgefährdet.« Hunter lächelt und mir wird auch ohne Mystik warm ums Herz. »Ich sage war , weil die Mystiker inzwischen das meiste wieder instand gesetzt haben. Diese Arbeit hat Jahrzehnte gedauert und viele Opfer gefordert. Aber nun haben wir eine Zuflucht für alle Rebellen.«
Inzwischen ist es heller geworden und plötzlich mündet der Tunnel in eine weitere Station. Sie ähnelt derjenigen, durch die ich hereingekommen bin, ist jedoch in besserem Zustand. Und bewohnt. Mosaiken bedecken die Wände. Auf den Bahnsteigen sehe ich Bänke, polierte Drehkreuze und sogar einen Zug mit Waggons.
»Oh, wow!«, entfährt es mir leise. Hunter hilft mir vom Steg hinunter auf den Bahnsteig.
Ich streiche mit der Hand über einen silbernen U-Bahn-Waggon. Das Metall fühlt sich kühl an. Die Fenster sind geschwärzt, und obwohl die U-Bahn alt und heruntergekommen ist, nichts im Vergleich zur Leichtbahn, bin ich beeindruckt.
»Damit sind die Menschen früher durch die Stadt gefahren.« Hunter lächelt; es scheint ihm Freude zu machen, dieses Stück Geschichte mit mir zu teilen.
»Wo sind die Fingerscanner?«
Hunter lacht und zeigt zu den Drehkreuzen. »Keine Scanner. Die Leute haben damals Wertmünzen gekauft, die sie in einen Schlitz steckten, und dann ließ sich das Drehkreuz bewegen.«
Ich lache ebenfalls. »Die U-Bahn hat Geld gekostet? Das ist ja lächerlich.«
»Tja, so war es«, sagt er und legt mir eine Hand auf den Rücken. Ich schmelze fast unter seiner Berührung und die Kraft aus seinen Fingerspitzen beruhigt mich.
»Du wolltest doch wissen, wo ich wohne. Willkommen in meiner bescheidenen Bleibe, Miss Rose«, sagt er und verneigt sich wie ein Schauspieler am Ende der Aufführung.
»Herzlichen Dank«, antworte ich und knickse. Dabei muss ich kichern und auch Hunter fängt an zu lachen. Er sieht so schön aus, wenn er lacht, es ist kaum auszuhalten. Er drückt die Tür eines Waggons auf. »Darf ich Sie zu einer Tasse Tee einladen«, sagt er mit einem übertriebenen britischen Akzent.
»Aber mit dem allergrößten Vergnügen«, antworte ich.
Hunter reicht mir den Arm und ich steige in den Waggon – und bin total überrascht.
Ich hatte mir immer vorgestellt, dass Rebellen in Zelten auf dem
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