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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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nicht mal eine Tür eingetreten oder gegen die Wand gehämmert. Sie war überzeugt, dass sie bald mit ihm reden würde.
    Dave, würde sie fragen, was für Blut habe ich aus deinen Sachen gewaschen?
    Dave, würde sie fragen, was ist Samstagnacht wirklich passiert?
    Du kannst es mir sagen. Ich bin deine Frau. Du kannst mir alles erzählen.
    Das wollte sie tun. Sie wollte mit ihm sprechen. Sie hatte keinen Grund, Angst vor ihm zu haben. Er war Dave. Sie liebte ihn, er liebte sie und irgendwie würde das Ganze sich aufklären. Davon war sie überzeugt.
    Und doch blieb sie hier sitzen, auf der Seite des Kanals, winzig klein vor einer verlassenen Eisenhütte, die vor kurzem von einem Stadtplaner erworben worden war, der daraus einen Parkplatz machen wollte, falls das Stadion auf der anderen Seite des Flusses tatsächlich gebaut werden sollte. Celeste starrte auf den Park, in dem Katie Marcus ermordet worden war. Sie wartete, dass ihr jemand verriet, wie man wieder aufstand.
    Jimmy saß mit Bruce Reeds Sohn Ambrose im Büro des Bestattungsinstituts und ging alles mit ihm durch, auch wenn er lieber mit Bruce selbst gesprochen hätte als mit diesem Jüngelchen, das wie frisch vom College aussah. Man dachte eher an Frisbeescheiben als an Särge, wenn man ihn anschaute. Jimmy konnte sich nicht vorstellen, wie diese glatten, faltenlosen Hände unten im Arbeitsraum die Toten berührten.
    Er hatte Ambrose Katies Geburtsdatum und Sozialversicherungsnummer genannt, die der Junge mit einem goldenen Stift in ein an einem Klemmbrett befestigtes Formular eingetragen hatte, worauf er mit einer Samtstimme, die genauso klang wie die seines Vaters, gesagt hatte: »Gut, gut. Nun, Mr. Marcus, soll es die klassisch katholische Zeremonie sein? Totenwache, Gottesdienst?«
    »Ja.«
    »Dann würde ich vorschlagen, die Totenwache am Mittwoch abzuhalten.«
    Jimmy nickte. »Die Kirche ist schon für Donnerstagmorgen neun Uhr vorgemerkt.«
    »Neun Uhr«, wiederholte der Junge und schrieb es auf. »Haben Sie sich schon eine Zeit für die Totenwache überlegt?«
    »Wir machen zwei«, antwortete Jimmy. »Eine von drei bis fünf. Die zweite von sieben bis neun.«
    »Sieben bis neun«, wiederholte Ambrose Reed beim Schreiben. »Ich sehe, Sie haben Fotos mitgebracht. Gut, gut.«
    Jimmy schaute auf den Stapel von Bilderrahmen auf seinem Schoß: Katie beim Schulabschluss. Katie und ihre Schwestern am Strand. Katie mit ihm bei der Eröffnung von Cottage Market, als sie acht war. Katie mit Eve und Diane. Katie, Annabeth, Jimmy, Nadine und Sara im Freizeitpark »Six Flags«. Katies sechzehnter Geburtstag.
    Er legte die Rahmen neben sich auf den Stuhl und spürte ein leichtes Brennen im Hals, das jedoch verschwand, als er schluckte.
    »Haben Sie an die Blumen gedacht?«, fragte Ambrose Reed.
    »Ich hab heute Nachmittag welche bei Knopfler bestellt«, erwiderte Jimmy.
    »Und die Anzeige?«
    Jimmy schaute dem Jungen zum ersten Mal in die Augen. »Die Anzeige?«
    »Ja«, sagte Ambrose Reed und guckte auf sein Klemmbrett. »Wie die Anzeige in der Zeitung aussehen soll. Wir können uns darum kümmern. Sie teilen mir einfach das Nötigste mit, zum Beispiel, wie der Text in etwa lauten soll. Ob Sie Spenden statt Kränzen wollen und so weiter.« Dann schaute er wieder Jimmy an.
    Jimmy wich dem mitleidigen Blick des jungen Mannes aus und sah zu Boden. Unter ihnen, irgendwo im Keller dieses weißen viktorianischen Hauses, lag Katie im Einbalsamierungsraum. Nackt würde sie vor Bruce Reed, diesem jungen Mann und seinen beiden Brüdern liegen, wenn sie sich an die Arbeit machten, wenn sie Katie säuberten, hübsch machten, konservierten. Ihre kalten, manikürten Hände würden über Katies Körper fahren. Sie würden ihre Gliedmaßen anheben. Sie würden ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger halten und drehen. Mit dem Kamm würden sie ihr durchs Haar fahren.
    Er dachte an seine nackte, ungeschützte Tochter, aus deren Fleisch jede Farbe gewichen war, wie sie darauf wartete, ein letztes Mal von diesen Fremden berührt zu werden – mit Vorsicht, das schon, aber mit einer gefühllosen, klinischen Vorsicht. Dann würde man ihr ein Satinkissen unter den Kopf schieben und mit starrem Puppengesicht und ihrem blauen Lieblingskleid würde man sie in die Aufbahrungshalle rollen. Man würde sie anstarren, für sie beten, über sie sprechen und sie betrauern und dann würde sie schließlich begraben werden. Sie würde in ein Loch hinabgelassen werden, das von Männern geschaufelt

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