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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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missbraucht, es gibt jede Menge Scheißtage. Man verliert mehr als man gewinnt. Man hasst den geliebten Menschen genauso sehr, wie man ihn liebt. Aber scheißegal, man krempelt die Ärmel hoch und macht sich an die Arbeit – genau das heißt es, erwachsen zu werden.«
    »Annabeth«, sagte Sean, »hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie eine harte Frau sind?«
    Sie drehte sich zu ihm um, die Augen geschlossen, ein verträumtes Lächeln im Gesicht. »Das hör ich ständig.«
     
    Am Abend ging Brendan Harris in sein Zimmer und kümmerte sich um den Koffer unter seinem Bett. Er hatte ihn mit kurzen Hosen und Hawaiihemden, einer Sportjacke und zwei Jeans voll gestopft, Sweatshirts und Wollhosen fehlten. Er hatte eingepackt, was man seiner Meinung nach in Las Vegas brauchte. Keine Wintersachen, weil Katie und er entschlossen gewesen waren, sich nie wieder mit eisigem Wind, Thermosockenausverkauf bei Kmart oder vereisten Windschutzscheiben abzugeben. Als er nun den Koffer öffnete, sah er sich einer bunten Mischung von Pastelltönen und Blumenmustern gegenüber, einem sommerlichen Durcheinander.
    Das war es, was sie sein wollten. Gebräunt und relaxt, ohne dass ihre Körper von Stiefeln, Mänteln oder den Erwartungen anderer beschwert wurden. Sie hätten Cocktails mit albernen Namen aus Daiquirigläsern getrunken und den Nachmittag im Hotelpool verbracht, ihre Haut hätte nach Sonnencreme und Chlor gerochen. Sie hätten sich in einem von der Klimaanlage gekühlten Zimmer geliebt, das stellenweise von der durch die Jalousien fallenden Sonne erwärmt wurde, und wenn sich am Abend die Luft abkühlte, hätten sie sich etwas Feineres angezogen und wären spazieren gegangen. Er konnte das wie aus weiter Ferne sehen, als blicke er von mehreren Stockwerken auf die beiden Liebenden hinab, die durch das Neonlicht bummelten, und das Licht malte wässrige rote, gelbe und blaue Flecken auf den schwarzen Asphalt. Und da schlenderten die beiden – Brendan und Katie – gemächlich in der Mitte des breiten Boulevards, winzig zwischen den Häusern, und das Rasseln und Klappern der Casinos hallte durch die Türen nach draußen.
    Wo möchtest du heute Abend hin, mein Schatz?
    Sag du!
    Nein, sag du!
    Nein, los, sag du!
    Gut. Wie wär’s mit dem?
    Sieht gut aus.
    Da rein dann also.
    Ich liebe dich, Brendan.
    Ich liebe dich auch, Katie.
    Dann wären sie zwischen den weißen Säulen die teppichbezogenen Stufen zum Lärm des verrauchten, schallenden Casinos hinaufgestiegen. Als Mann und Frau hätten sie das getan, hätten sie ihr gemeinsames Leben begonnen, eigentlich noch Kinder, und East Buckingham wäre Millionen Meilen entfernt gewesen und mit jedem Schritt weiter in die Ferne gerückt.
    So wäre es gewesen.
    Brendan ließ sich auf den Boden fallen. Er musste sich mal kurz hinsetzen. Nur ein oder zwei Minuten. Er presste die Sohlen seiner Basketballschuhe gegeneinander und umfasste seine Knöchel wie ein kleiner Junge. Er wiegte sich, ließ das Kinn auf die Brust fallen und schloss die Augen. Einen kurzen Moment ließ der Schmerz nach. Die Dunkelheit und das Vor- und Zurückwiegen beruhigten ihn einen Augenblick.
    Dann war es vorbei und die schreckliche Erkenntnis, dass Katie von dieser Erde verschwunden war – ihre ewige Abwesenheit – durchflutete und zerschmetterte ihn.
    Es gab eine Pistole im Haus. Sie hatte seinem Vater gehört und seine Mutter hatte sie hinter der abnehmbaren Deckenverkleidung der Abstellkammer gelassen, wo sein Vater sie aufbewahrt hatte. Man konnte sich auf den Schrank in der Abstellkammer setzen, unter den Rand der geschwungenen Holzleiste greifen und die drei Rippen entlangtasten, bis man das Gewicht der Pistole fühlte. Dann musste man nur noch die Hand ausstrecken, reingreifen und die Finger um das Metall schließen. Sie lag dort, seit Brendan sich erinnern konnte, und eine seiner ersten Erinnerungen war, wie er einmal spät nachts aus dem Bad gestolpert war und gesehen hatte, dass sein Vater die Hand unter der Leiste hervorzog. Mit dreizehn hatte Brendan die Waffe sogar herausgenommen und sie seinem Freund Jerry Diventa gezeigt. Jerry hatte sie mit großen Augen angestarrt und gesagt: »Leg sie zurück, leg sie bloß zurück!« Sie war staubbedeckt und mit ziemlicher Sicherheit nie betätigt worden, aber Brendan wusste, dass man sie nur zu säubern brauchte.
    Er könnte die Waffe heute Abend herausholen. Er könnte ins Café Society gehen, wo sich Roman Fallow herumtrieb, oder rüber zu Atlantic Auto

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