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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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spannte sich, so dass Celeste die Knochen darunter ausmachen konnte. Sie fröstelte bei dem Gedanken, wie er wohl aussehen mochte, wenn er mit langen, spitzen Fingernägeln, zerfallendem Kinn und wallendem Moos an Stelle von Haaren im Sarg liegen würde.
    Als ihm Tränen über die Wangen liefen, musste sie sich zusammenreißen, um sein Gesicht nicht an sich zu drücken, damit sie fühlte, wie diese Tränen ihre Bluse durchnässten und ihr den Rücken hinunterliefen.
    Sie redete einfach weiter, weil sie wusste, dass sie nie wieder darüber sprechen würde, wenn sie jetzt aufhörte. Doch sie durfte nicht aufhören, weil sie jemandem erzählen musste, warum sie gegangen war, warum sie einen Mann verlassen hatte, dem sie eigentlich in guten wie in schlechten Zeiten hatte beistehen wollen; einen Mann im Stich gelassen hatte, der ihr Kind gezeugt, ihr Witze erzählt, ihre Hand gestreichelt und der ihr erlaubt hatte, an seiner Brust einzuschlafen. Einen Mann, der sich nie beschwert und sie nie geschlagen hatte, der ein wundervoller Vater und guter Ehemann gewesen war. Sie musste jemandem erzählen, wie durcheinander sie war, weil sich dieser Mann irgendwie in Luft aufgelöst hatte. Als wäre Daves Gesicht nur eine Maske gewesen, die man ihm jetzt heruntergerissen hatte, und nun glotze sie ein lüsternes Monster an.
    Sie endete mit den Worten: »Ich weiß noch immer nicht, was er getan hat, Jimmy. Ich weiß noch immer nicht, von wem das Blut stammt. Wirklich nicht. Ich hab solche Angst.«
    Jimmy drehte sich um, so dass er mit dem Oberkörper am schmiedeeisernen Geländer lehnte. Seine Tränen waren versiegt und sein Mund formte sich zu einem kleinen schockierten O. Er schien durch Celeste hindurchzusehen. Sein Blick schweifte in die Ferne, als betrachtete er etwas am Ende der Straße, das niemand sonst sehen konnte.
    »Jimmy«, sagte Celeste, aber er winkte ab und schloss die Augen. Er ließ den Kopf sinken und atmete laut ein.
    Die Zelle um sie herum schien sich aufzulösen. Celeste nickte Joan Hamilton zu, die den beiden im Vorbeigehen einen mitfühlenden, aber irgendwie argwöhnischen Blick zuwarf, bevor sie auf ihren Pumps davonstöckelte. Die Geräusche der Straße waren wieder da, Hupen, quietschende Türen, ferne Rufe.
    Als Celeste Jimmy erneut ansah, erwiderte er ihren Blick. Seine Augen waren klar. Er hatte den Mund geschlossen und die Knie an die Brust gezogen. Seine Hände ruhten auf den Knien. Celeste sah die gefährliche Intelligenz eines hellwachen Kriegers in Jimmys Augen aufblitzen. Sie glaubte, dass er mehr Verstand und eine schnellere Auffassungsgabe besaß als die meisten Menschen.
    »Die Klamotten, die er an dem Abend anhatte, sind also weg«, stellte Jimmy fest.
    Sie nickte. »Ich hab nachgeguckt. Ja.«
    Er legte den Kopf auf die Knie. »Wie groß ist deine Angst? Mal ehrlich.«
    Celeste räusperte sich. »Gestern Abend, Jimmy, da dachte ich, er würde sich auf mich stürzen. Und mich dann nicht mehr loslassen.«
    Jimmy schloss die Augen. »Celeste«, flüsterte er.
    »Ja?«
    »Glaubst du, dass Dave Katie umgebracht hat?«
    Celeste spürte die Antwort wie das Erbrochene der vergangenen Nacht in ihrem Körper aufsteigen. Die Antwort zerriss ihr fast das Herz.
    »Ja«, sagte sie.
    Jimmy schlug die Augen auf.
    »Jimmy?«, Celestes Stimme zitterte. »Gott steh mir bei!«
     
    Sean betrachtete Brendan Harris, der ihm gegenüber am Tisch saß. Der Junge sah verwirrt, müde und verängstigt aus. Sean war das nur recht. Er hatte ihn von zwei Troopern zu Hause abholen und herbringen lassen, dann hatte sich Brendan an den Tisch setzen müssen, während Sean den Computerbildschirm herunterscrollte, alle Informationen las, die er über Brendans Vater zusammengetragen hatte, sich dafür viel Zeit nahm, Brendan ignorierte, ihn dort sitzen und zappeln ließ.
    Jetzt schaute Sean wieder auf den Bildschirm, drückte nur aus Spaß mit dem Stift auf die Taste zum Herunterscrollen und sagte: »Erzähl mir was über deinen Vater, Brendan!«
    »Was?«
    »Dein Vater. Raymond senior. Erinnerst du dich an ihn?«
    »Kaum. Ich war so ungefähr sechs, als er abgehaun ist.«
    »Du kannst dich also nicht mehr an ihn erinnern?« Brendan zuckte mit den Schultern. »Nur noch an so Kleinigkeiten. Er kam immer singend nach Hause, wenn er besoffen war. Einmal ist er mit mir in den Canobie Lake Park gefahren und hat mir Zuckerwatte gekauft, ich hab die Hälfte gegessen und auf dem Karussell alles wieder ausgekotzt. Er war nicht gerade oft

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