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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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da, daran kann ich mich noch erinnern. Warum?«
    Sean guckte wieder auf den Bildschirm. »Woran kannst du dich noch erinnern?«
    »Keine Ahnung. Er roch nach Bier und Kaugummi. Er …«
    Sean konnte hören, dass Brendan lächelte. Sean blickte hoch und sah, wie das Lächeln sanft über Brendans Gesicht huschte. »Ist was, Brendan?«
    Brendan rutschte auf dem Stuhl herum, sein Blick schweifte in die Ferne, als wäre er mit seinen Gedanken woanders. »Er hatte immer Kleingeld bei sich, wissen Sie? Es beulte seine Taschen aus und klimperte beim Gehen. Als ich klein war, saß ich immer im Wohnzimmer. Wir wohnten damals noch woanders – in einem schönen Haus. Jeden Tag saß ich um fünf Uhr dort und machte die Augen zu, bis ich ihn mit seinem Kleingeld die Straße runterkommen hörte. Dann bin ich aus dem Haus geschossen, und wenn ich erraten konnte, wie viel Geld er in der Tasche hatte – oder wenn ich es fast erriet –, dann gab er mir das ganze Kleingeld.« Brendans Lächeln wurde breiter und er schüttelte den Kopf. »Und er hatte ‘ne Menge Kleingeld.«
    »Was ist mit einer Pistole?«, fragte Sean. »Hatte dein Vater eine Pistole?«
    Brendans Lächeln gefror und er schaute Sean mit zusammengekniffenen Augen an, als verstehe er nicht, was Sean von ihm wollte. »Was?«
    »Hatte dein Vater eine Pistole?«
    »Nein.«
    Sean nickte und meinte: »Dafür, dass du erst sechs warst, als er abhaute, scheinst du dir aber ziemlich sicher zu sein.«
    Connolly kam mit einem Pappkarton herein. Er ging zu Sean und stellte den Karton auf Whiteys Tisch.
    »Was ist das?«, fragte Sean.
    »Alles Mögliche«, erwiderte Connolly und schaute in den Karton. »Berichte von der Spurensicherung und von der Ballistik, die Analysen der Fingerabdrücke, die Kassette von der Notrufzentrale, alles Mögliche.«
    »Das sagten Sie bereits. Was ist mit den Fingerabdrücken?«
    »Kein Einziger von denen ist im Computer.«
    »Habt ihr sie durch die nationale Datei laufen lassen?«
    » Und Interpol«, antwortete Connolly. »Null. Wir haben einen makellosen Fingerabdruck auf der Tür gefunden. Einen Daumen. Wenn er dem Täter gehört, ist er klein.«
    »Klein«, wiederholte Sean.
    »Ja. Klein. Könnte aber jedem gehören. Wir haben sechs Abdrücke gefunden, aber keiner davon ist ein Treffer.«
    »Hast du das Band vom Notruf abgehört?«
    »Nein, sollte ich?«
    »Connolly, du solltest grundsätzlich alles recherchieren, was mit diesem Fall zu tun hat, Mann.«
    Connolly nickte. »Willst du’s dir anhören?«
    »Dafür bist du doch da«, erwiderte Sean. Er wandte sich wieder an Brendan Harris. »Um noch mal auf die Pistole von deinem Vater zurückzukommen …«
    »Mein Vater hatte keine Pistole«, widersprach Brendan.
    »Wirklich nicht?«
    »Nein.«
    »Oh«, sagte Sean. »Dann wurden wir wohl falsch informiert. Übrigens, Brendan, hast du viel mit deinem Vater geredet?«
    Brendan schüttelte den Kopf. »Nie. Er meinte, er würde einen trinken gehen, haute ab und ließ meine Mutter und mich sitzen. Sie war auch noch schwanger.«
    Sean nickte, als könne er den Schmerz nachfühlen. »Aber deine Mutter hat nie eine Vermisstenanzeige aufgegeben.«
    »Sie hat ihn ja nicht vermisst«, erwiderte Brendan und seine Augen funkelten streitlustig. »Er teilte meiner Mutter mit, er würde sie nicht lieben, sie würde ihn ständig nerven. Zwei Tage später haute er ab.«
    »Und sie hat nie versucht, ihn zu finden? Irgendwas in der Richtung?«
    »Nein. Er schickte Geld, also war’s ihr scheißegal.«
    Sean nahm den Stift von der Tastatur und legte ihn auf den Tisch. Er versuchte, die Gedanken von Brendan Harris zu lesen, spürte aber nur einen Anflug von Depression und unterdrückten Zorn.
    »Er schickt Geld?«
    Brendan nickte. »Einmal pro Monat, wie ein Uhrwerk.«
    »Von wo?«
    »Äh?«
    »Woher kommt der Brief mit dem Geld? Wo wird der aufgegeben?«
    »In New York.«
    »Immer?«
    »Ja.«
    »Bargeld?«
    »Ja. Meistens fünfhundert Dollar im Monat. Weihnachten mehr.«
    »Schreibt er auch mal was?«, erkundigte sich Sean.
    »Nein.«
    »Woher wisst ihr dann, dass es von ihm ist?«
    »Wer soll uns denn sonst jeden Monat Geld schicken? Er fühlt sich schuldig. Meine Ma meint, er war schon immer so gewesen. Er baut Scheiße und glaubt, dass alles gut ist, wenn es ihm Leid tut. Verstehen Sie?«
    »Ich möchte einen von den Briefen sehen, in dem das Geld ankommt«, bat Sean.
    »Meine Mutter wirft sie immer weg.«
    »Scheiße«, sagte Sean und drehte den Bildschirm weg.

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