Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
Hughes richtete sich auf und Sean konnte hören, wie sie mit dem Daumen auf einen Knopf drückte, damit ihre Kamera surrend den Film zurückspulte. Sie holte einen neuen Film aus der Tasche, klappte das Rückteil des Apparats auf und Sean stellte fest, dass ihr aschblondes Haar an Schläfen und Pony dunkler geworden war. Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu, ließ den vollen Film in die Tasche gleiten und legte den neuen ein.
    Whitey kniete neben dem Gerichtsmediziner und Sean hörte ihn im scharfen Flüsterton fragen: »Was?«
    »Was ich gesagt habe.«
    »Sie sind sich sicher, ja?«
    »Nicht zu hundert Prozent, aber so gut wie.«
    »Scheiße.« Whitey sah sich über die Schulter zu Sean um, der sich ihnen näherte, er schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Daumen auf den stellvertretenden Chef der Gerichtsmedizin.
    Sean konnte mehr erkennen, als er hinter den beiden die Stufen hochgekommen war. Ihre Schultern waren ihm nicht mehr im Weg. Durch die Tür erblickte er die zwischen zwei Wänden zusammengekauerte Leiche. Der Spalt war höchstens ein Meter breit, so dass sie mit dem Rücken an der linken Wand lehnte und die Füße gegen die rechte stemmte. Die Leiche erinnerte Sean an einen Fötus. Ihr linker Fuß war nackt und schmutzig. Der Rest einer Socke hing zerrissen an ihrem Knöchel. Am rechten Fuß trug sie einen schlichten schwarzen Schuh mit niedrigem Absatz, er war mit getrockneter Erde verkrustet. Selbst nachdem sie den ersten Schuh im Garten verloren hatte, hatte sie den anderen nicht abgestreift. Ihr Mörder musste ihr die ganze Zeit im Nacken gesessen haben. Und dennoch hatte sie sich hier versteckt. Sie musste ihm also einen Augenblick lang entkommen sein, was bedeutete, dass er aus irgendeinem Grund langsamer geworden war.
    »Souza!«, rief Sean.
    »Ja?«
    »Hol dir ein paar Polizisten und seht euch die Spur an, die bis hierher führt. Sucht in den Büschen und so nach Stofffetzen, abgerissener Haut und so weiter.«
    »Einer ist schon dabei und gießt die Fußabdrücke aus.«
    »Ja, aber wir brauchen mehr Leute. Kümmerst du dich darum?«
    »Geht in Ordnung.«
    Wieder betrachtete Sean die Leiche. Sie trug eine weiche dunkle Hose und eine weit ausgeschnittene dunkelblaue Bluse. Ihre Jacke war rot und zerrissen. Sean nahm an, es handele sich um ihre Wochenendgarderobe. Für ein Mädchen aus den Flats zu schick für alle Tage. Sie war unterwegs gewesen, irgendwohin gegangen, wo es nett war, vielleicht hatte sie eine Verabredung gehabt.
    Und irgendwie war sie zusammengekauert in diesem schmalen Gang gelandet, dessen schimmelige Wände das Letzte gewesen waren, was sie gesehen und gerochen hatte.
    Es schien, als wäre sie hereingekommen, um vor einem Blutregen zu flüchten, und der Wolkenbruch haftete noch an ihrem Haar und auf ihren Wangen, verschmutzte in nassen Streifen ihre Kleidung. Sie hatte die Knie an die Brust gezogen, der rechte Ellenbogen war auf das rechte Knie gestützt, die Faust hatte sie neben dem Ohr geballt, was Sean eher an ein Kind als an eine Frau erinnerte, das sich zusammengerollt hatte und versuchte, ein schreckliches Geräusch abzuwehren. Hör auf, hör doch auf, schien der Körper zu schreien. Hör bitte auf!
    Whitey ging Sean aus dem Weg und Sean hockte sich vor die Tür. Trotz des ganzen Blutes auf der Leiche, der Pfütze auf dem Boden und dem am Beton haftenden Schimmel konnte Sean ihr Parfüm riechen, nur einen kleinen Hauch, süßlich und sinnlich, der ihn an Highschoolverabredungen und dunkle Autos erinnerte, an das hektische Gefummel unter den Klamotten und das elektrisierende Streicheln der Haut. Unter den Blutstropfen erkannte Sean dunkle Flecken an Armgelenken, Unterarmen und Knöcheln und er wusste, dass sie geschlagen worden war.
    »Er hat sie geschlagen?«, fragte Sean.
    »Sieht so aus. Das Blut oben auf dem Kopf, das kommt von einer Wunde am Scheitel. Der Gegenstand, mit dem er sie geschlagen hat, ist dabei wahrscheinlich kaputtgegangen, so hart hat er zugehauen.«
    Hinter ihr stapelten sich Holzpaletten und Gegenstände, die wie Requisiten aussahen – Holzschiffe, Domkuppeln, der Bug einer wohl venezianischen Gondel –, sie versperrten den Gang hinter der Leinwand. Sie hatte sich nicht bewegen können. Einmal hier drin, hatte sie festgesessen. Wenn ihr Verfolger sie hier fand, würde sie sterben. Und er hatte sie gefunden.
    Er hatte die Tür geöffnet und sie hatte sich zusammengekauert, ihren Körper mit nichts anderem als ihren eigenen Gliedmaßen zu schützen

Weitere Kostenlose Bücher