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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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von dem Moment an, in dem sie vom Tod ihres Angehörigen erfuhren, lebende Tote, traumatisiert, stolperten mit gebrochenem Herz durch den Rest ihres Lebens und bestanden nur noch aus Blut und Organen. Sie konnten keinen Schmerz mehr empfinden und wussten nun, dass sich die schlimmsten Befürchtungen manchmal tatsächlich bewahrheiteten.
    So ging es Jimmy Marcus gerade. Sean hatte keine Ahnung, wie er ihm in die Augen sehen und sagen sollte: »Ja, sie ist tot. Deine Tochter ist tot, Jimmy. Sie wurde dir für immer genommen.« Jimmy, der schon eine Frau verloren hatte. Verflucht. »Hey, weißt du was, Jim – Gott meinte, du wärst ihm noch was schuldig. Jetzt hat er sich’s geholt. Ich denke, so ist’s leichter zu verstehen, Junge. Bis bald.«
    Sean überquerte die kurze Holzbrücke über dem Graben und folgte dem Pfad hinunter zu den im Kreis gepflanzten Bäumen, die wie ein heidnisches Publikum die Leinwand umringten. Alle Polizisten standen an der Treppe, die zu einer Tür neben der Leinwand führte. Sean sah, wie Karen Hughes mit ihrer Kamera herumknipste, Whitey Powers sich gegen den Türrahmen lehnte, in den dahinter liegenden Raum schaute, sich Notizen machte, wie der stellvertretende Chef der Gerichtsmedizin neben Karen Hughes kniete, wie ein ganzer Zug uniformierter Trooper und Kollegen des Boston Police Departments hinter den Bäumen herumlief, wie Connolly und Souza etwas auf den Stufen betrachteten und wie die großen Tiere – Frank Krauser vom Police Department und Seans Vorgesetzter, Martin Friel von der State Police – etwas abseits an der Bühne standen, die sich vor der Leinwand erstreckte, und mit gesenkten Köpfen miteinander sprachen.
    Wenn der Gerichtsmediziner feststellen sollte, dass sie im Park gestorben war, würde der Fall in den Bereich des Staates Massachusetts fallen und Sean und Whitey zugewiesen.
    Dann müsste Sean es Jimmy sagen. Müsste sich in das Leben des Opfers vertiefen und sich damit quälen. Müsste den Fall aufklären oder zumindest allen die Illusion vermitteln, er wäre aufgeklärt.
    Die Bostoner Polizei konnte den Fall allerdings für sich beanspruchen. Es war Friel freigestellt, ihn abzugeben, da der Park auf allen Seiten von städtischem Gelände umgeben war und der erste Anschlag auf das Leben des Opfers im Zuständigkeitsbereich der Stadt stattgefunden hatte. Der Fall würde Aufmerksamkeit auf sich ziehen, das wusste Sean genau. Mord in einem Stadtpark, das Opfer in der Nähe eines Ortes gefunden, der bald ein Wahrzeichen des Viertels und der Popkultur werden würde. Kein unmittelbar erkennbares Motiv. Auch kein Mörder, falls er sich nicht zusammen mit Katie Marcus da unten abgemurkst hatte, was Sean aber bezweifelte. Ein gefundenes Fressen für die Medien, wenn man darüber nachdachte, denn in den letzten Jahren war in der Stadt nicht viel in der Richtung passiert. Scheiße, der ganze Park würde bald voll mit Gaffern von der Presse sein.
    Das wollte Sean nicht, was, wenn er sich an seinen bisherigen Erfahrungen orientierte, eine ziemlich gute Garantie dafür war, dass es so kommen würde. Er lief den Hang hinunter zum Sockel der Filmleinwand. Dabei beobachtete er Krauser und Friel und hoffte, etwas an ihren Kopfbewegungen ablesen zu können. Wenn das da drinnen Katie Marcus war – und daran zweifelte Sean nicht sonderlich –, dann würden die Flats explodieren. Nicht Jimmy – der war dann wahrscheinlich eh nicht mehr ansprechbar. Aber was war mit den Savage-Brüdern? Im Dezernat für Kapitalverbrechen gab es über fast jeden dieser fertigen Spinner eine Akte so dick wie ein Fensterbrett. Und das waren nur die bundesstaatlichen Delikte, die sie abgezogen hatten. Sean kannte Leute bei der Bostoner Polizei, die behaupteten, ein Samstagabend ohne mindestens einen von den Savages in Polizeiverwahrung sei wie eine Sonnenfinsternis. Sie berichteten, wenn das einmal der Fall sei, kämen alle Kollegen zusammen, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, weil sie es sonst nicht glaubten.
    Auf der Bühne vor der Leinwand nickte Krauser einmal, schaute sich um, bis er Sean erblickte. Da wusste Sean, dass er und Whitey am Zug waren. Sean entdeckte Blut auf einigen Blättern, die verstreut herumlagen. Die Spur reichte bis zum unteren Leinwandrand und führte dann noch ein Stück die Stufen zur Tür hinauf.
    Connolly und Souza standen auf der Treppe, blickten kurz hoch, nickten Sean grimmig zu und spähten wieder in den Spalt, der sich zwei Stufen höher befand. Karen

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