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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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verzweifelten Heulen etwas Klagendes mit, als wollten sie Gott oder die Vernunft anrufen; ihn oder sie bitten, das Geschehene rückgängig zu machen und ihnen zu versichern, es wäre nur ein Traum gewesen. Aber in Jimmys Schrei lag nichts dergleichen, nur Liebe und Zorn in gleichem Ausmaß. Der Schrei scheuchte die Vögel in den Bäumen auf und hallte über dem Pen-Kanal wider.
    Sean ging zurück und betrachtete Katie Marcus. Connolly, das jüngste Mitglied der Einheit, trat neben ihn und eine Weile sahen sie gemeinsam zu Boden, ohne etwas zu sagen, und Jimmy Marcus’ Schreien wurde heiserer und rauer, als würde er mit jedem Atemzug Glassplitter in die Lunge saugen.
    Sean betrachtete Katie, wie sie im blutigen Regen die Faust an ihren Kopf geballt hielt, dann sah er hinüber zu den hölzernen Requisiten, die ihr den Weg abgeschnitten hatten.
    Draußen schrie Jimmy, während sie ihn den Hang hinaufzerrten. Plötzlich tauchte über den Bäumen ein Hubschrauber auf, vollführte ein halsbrecherisches Wendemanöver und flog dann mit dröhnendem Motor zurück zum Kanal. Sean nahm an, dass er von irgendeinem Fernsehsender war. Sein Knattern hörte sich anders an als das der Polizeihelikopter.
    Aus dem Mundwinkel zischte Connolly: »Schon mal so was gesehen?«
    Sean zuckte mit den Schultern. Und wenn, wäre es auch egal. Irgendwann stellte man keine Vergleiche mehr an.
    »Ich meine, das ist …«, stammelte Connolly und suchte nach Worten, »das ist so was wie ein …« Er wandte den Blick ab, schaute staunend in die Bäume und schien weitersprechen zu wollen.
    Dann schloss er den Mund und gab den Versuch auf, seinen Eindruck in Worte fassen zu wollen.

12 DIE FARBEN VON DIR
    Sean lehnte sich gegen die Bühne vor der Leinwand des Autokinos, wo bereits sein Chef, Detective Lieutenant Martin Friel, stand. Zusammen beobachteten sie, wie Whitey Powers den Einsatzwagen des Coroners einwies, der rückwärts die Böschung bis zur Tür herunterfuhr, hinter der sie die Leiche von Katie Marcus gefunden hatten. Whitey ging ebenfalls rückwärts, hatte die Hände erhoben, machte gelegentlich einen Ausfallschritt nach rechts oder links und seine forschen Pfiffe durch die Schneidezähne, die wie Welpengekläff klangen, durchschnitten die Luft. Whiteys Blick wanderte blitzschnell von den beidseitigen Absperrbändern zu den Reifen des Einsatzwagens und zu den nervösen Augen des Fahrers im Außenspiegel, als würde sich Whitey um eine Stelle als Möbelpacker bewerben, indem er sicherstellte, dass die dicken Reifen keinen einzigen Zentimeter von der von ihm vorgesehenen Spur abwichen.
    »Noch ein bisschen! Jetzt gerade! Noch ein bisschen, ja, weiter. So ist gut.« Als er den Wagen da hatte, wo er ihn haben wollte, trat er zur Seite und klopfte gegen eine der Hecktüren. »Gut so!«
    Whitey riss die Hecktüren weit auf und ließ sie geöffnet, damit sie den Blick auf den Raum hinter der Leinwand versperrten. Sean dachte, ihm wäre niemals in den Sinn gekommen, etwas Schützendes vor die Tür zu stellen, hinter der Katie Marcus gestorben war. Doch dann rief er sich in Erinnerung, dass Whitey viel öfter als er an Tatorten gewesen war; Whitey war ein altes Schlachtross aus einer Zeit, als Sean noch versucht hatte, beim Tanz auf der Highschool den Mädels unter die Bluse zu greifen und nicht an seinen Pickeln herumzuquetschen.
    Die beiden Assistenten des Coroners, die wie ihr Boss für die Untersuchung von mysteriösen Todesfällen zuständig waren, wollten sich schon von den Autositzen erheben, als Whitey ihnen zurief: »So wird das nichts, Jungs! Ihr müsst wohl hinten rauskommen.«
    Sie schlossen die Seitentüren und stiegen hinten aus dem Wagen aus, um die Leiche zu bergen. Sean empfand ihr Verschwinden als etwas Endgültiges, als Bestätigung, dass von jetzt an er die Verantwortung trug. Die anderen Kollegen, die Techniker und die Reporter oben in den Hubschraubern oder jenseits der Tatortabsperrung würden sich irgendwann anderen Dingen zuwenden, aber Whitey und er würden den Löwenanteil bei den Ermittlungen zu erledigen haben, Berichte verfassen, eidesstattliche Aussagen vorbereiten und sich mit Katie Marcus’ Tod selbst dann noch befassen, wenn die meisten Menschen hier längst wieder mit anderen Dingen beschäftigt waren – mit Verkehrsunfällen, Diebstählen, Selbstmorden in Zimmern, in denen die Luft stand und die Aschenbecher überquollen.
    Martin Friel stemmte sich auf die Bühne und ließ seine kurzen Beine baumeln. Er war

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