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Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Titel: Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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Junge so voller Hass? Hat er, der Vater, zu viele Fehler gemacht? Hat er seinen Sohn zu wenig beachtet? Hat er ihn gar unterdrückt, sodass sich nun der Trotz in Richard regt und ihn zu dieser Tat antreibt? Viele Gedanken gehen Kenneth durch den Kopf, während er sich daran macht, vom Dach zu klettern.
    Auch das ist weniger einfach, als er dachte, denn er rutscht mit einem Mal und wäre fast über den First gefallen. Er krallt die Finger an einen Balken und ihn verlässt die Kraft. Er plumpst in einen Misthaufen, der erbärmlich stinkt und im Regen dampft. Es macht Kenneth nichts aus. Er hat sich befreit. Nun wird es Zeit, dass er sich sputet.
    Vielleicht kann er ein Unglück verhindern, denn daran, dass die Sache übel enden kann, zweifelt er nicht.
     
     
    Emily starrt an das Hangende, auch Galahad hält inne. Über ihnen bebt der Felsen, und Staub rieselt herab.
    » Sie sind da « , murmelt Galahad.
    » Wer? « , fragt Emily. » Wer ist da? «
    » Die Feinde. «
    » Ich weiß nicht, was du meinst. «
    » Ich erkläre es dir später, verzeih mir. Wir haben keine Zeit zu verlieren. « Er duckt sich und kriecht in eine Höhlung, die Emily bisher nie aufgefallen ist. Er verschwindet mit dem Oberkörper darin, wo er rumort und einen Stein nach dem anderen hinter sich wirft wie ein buddelnder Hund. Er schiebt sich zurück und sein Gesicht leuchtet.
    » Ich habe zwei Tage gesucht, und nun traf mich der Funke, der mir den richtigen Weg wies. Wie es aussieht, kann dein Vater schon morgen früh wieder hier einziehen. Er wird nie erfahren, was ich hier unten tat, doch er wird glücklich sein. Zuvor allerdings müssen wir dafür sorgen, dass der Mob sich beruhigt. «
    Er hebt etwas hoch, das in seinen Handflächen ruht und Emily staunt. Es handelt sich um eine kleine Schale aus Achat. Sie wirkt uralt und ist so unscheinbar, dass Emily sich nicht danach gebückt hätte, obwohl sie einen feinen Silberrand hat. Dennoch wirkt sie billig und unvollkommen. Galahad hält die Schale gegen das Licht, und Emilys Herz macht einen Satz, als der Quarz aus sich selbst heraus zu leuchten beginnt. Es ist ein so wundervoller Anblick, dass ihr die Tränen kommen.
    » Er ist gebändert « , sagt Galahad. » Ein wunderschönes Muster. Schau hin, wie das Muster fluktuiert. Würdest du sie halten, wäre nichts zu sehen. Sie reagiert auf mich und das seit Jahrhunderten. Ich spüre ein feines Kribbeln in meinen Fingern und schöpfe Kraft aus ihr. Und wenn die Sonne sie trifft, glüht sie wie ein Diamant. « Er spricht demütig, sein Gesicht ist ganz weich geworden. Als erwache er, sagt er: » Aber ich verschwende Zeit. Wir werden noch ausreichend Gelegenheit haben, den Gral zu bewundern. «
    In diese Schale floss das Blut von Gottes Sohn, denkt Emily und sie bekommt eine Gänsehaut. Maria Magdalena hielt die Schale unter den sterbenden Körper, bevor Gott den Himmel aufriss und seinen Zorn entlud.
    » Und wenn ich die Schale nehme und sie merkt, dass ich eine reine Seele habe? « , fragt Emily.
    Galahad sieht sie an. Eine Fackel verlischt. Über ihnen dröhnt der Stein. Er schweigt. Sie möchte eine Antwort fordern, doch sie meint sie zu kennen. Das ewige Leben! Unsterblichkeit! Das, wonach der Mensch trachtet. Und doch, denn sie hat auch zwischen Galahads Worten gelauscht, ist es ein Fluch. Alles, hat sie gelernt, habe einen Anfang und ein Ende. Das ist der Lauf der Welt, so, wie die Erde sich dreht und jeder Weg wieder zur selben Kreuzung gelangt. Was wäre, wenn sie lebt, ohne ein Ende zu sehen? Würde sie in Müßiggang versinken, eine der Totsünden, oder würde sie wahnsinnig werden? Sie hat viele Menschen erlebt, die den Tod mit offenen Armen empfangen haben, nicht die jungen Leute, aber jene, die über fünfzig waren. Und stets war es, als gingen sie den Weg, weil er zu einem neuen Anfang führte.
    Ist es die Wirkung des Grals, dass sich eine seltsame Gier in ihr sammelt?
    Ist es das, was Galahad meinte, als er von falschen Händen sprach, in denen der Gral zu einem unheiligen Mittel würde? Es kann nicht anders sein. Schnell blickt sie weg. Sie will den Achat nicht mehr sehen. Sie sehnt sich zurück nach ihrem alten Leben und erschrickt, denn dies würde bedeuten, ohne Galahad zu sein.
    Ich liebe ihn!, erkennt sie. Er ist der Mann, auf den sie ein Leben lang gewartet hat. Er ist das, was andere nicht sind, und sie wird ihn niemals alleine lassen, es sei denn, er wendet sich von ihr ab. Nein, er will, dass sie, der Gefahr zum Trotz, an

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