Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
Vom Netzwerk:
April und Mai, um fertig zu werden. Joshua hatte auf Papier gemalt, wie es aussehen sollte. Zuerst bauten sie eine Treppe um den Kamin, der von der Küche aufsteigt. Dann errichteten sie eine Wand um die Treppe. Im ersten Stock bauten sie einen Raum an, den Joshua das »Séancenzimmer« nannte. Er hat eine niedrige Decke, eine Bühne und eine schwarze Holzkiste, die direkt am Kamin steht. Auf die Kiste malten wir ein Auge, aus dem Blitze zuckten. Wir sägten eine Tür zwischen Kiste und Kamintreppe aus, die man von innen nicht sah und auch nicht öffnen konnte, selbst wenn man wollte. Man musste den Riegel auf der Kaminseite wegschieben.
    Die Kiste ist dazu da, dass Caleb sich hineinsetzt und von Joshua in eine Geistertrance versetzt wird. Es sieht zwar nicht so aus, aber die Kiste ist groß genug, dass sogar Cosotino noch an Caleb vorbei auf die Bühne hinaustreten kann.
    Als auch der kleinste Holzrest zusammengeharkt und verbrannt worden war, hielten wir unsere erste Séance ab. Joshua streute das Gerücht aus, dass seit ihrer Rückkehr nach Lawton die Geister wieder zu ihm und Caleb sprächen, wie damals, als sie noch Kinder waren. Er erzählte den Leuten, es sei nichts Schlimmes dabei, mit den Geistern zu sprechen, es sei eine gute Sache und er und Caleb wollten den Leuten zeigen, dass sie es auch könnten.
    Zehn Leute kamen am ersten Abend, alle aus der Stadt, auch der Bürgermeister, ein ganz trauriger Mann namens Powell. Er hat im vergangenen Jahr seine Frau bei einem Kutschunfall verloren.
    Andie hob erregt den Kopf. »Sie kannte ihn also«, sagte sie laut vor sich hin. »Sie kannte Mikes Ururgroßvater.«
    Bevor sie weiterlas, griff sie wieder zu ihrem Kugelschreiber und notierte: »Tod von Lamont Powells Frau = seine Geisteskrankheit? Wo Kerris jetzt? Bürgermeister Powell?«
    Joshua hat ganz genau ausgeknobelt, wo die Leute während der Séance sitzen sollen und wo die einzige Petroleumlampe im Zimmer hängt, damit sie nur das sehen, was sie von ihm aus sehen dürfen. Und er ließ sie alle von seinem Elixier trinken, er sagte, das würde sie genügend entspannen, damit sie die Geisterwelt erfahren könnten. Ten Trees und Painted Horses nannten Tinkturen und Zaubersprüche, die die dunkle Seite anriefen, »Spinnenmedizin«, und so nannte ich das Elixier von da an auch.
    Joshua kam in einem roten Gewand, das Isabella für ihn gemacht hatte, auf die Bühne. Er sagte kein Wort, zeigte nur mit dem Finger auf Caleb, band ihm Hände und Füße, steckte ihn in die Kiste, zog die Vorhänge zu und hob die Arme zum Himmel. Es wurde still. Wir fingen an, durch ein paar Löcher zu flüstern, die wir in die Wände gebohrt hatten. Ich schlug eine Trommel. Isabella blies auf einer Flöte. Cosotino steckte seine Hände durch einen schwarzen Vorhang auf der linken Seite der Bühne und schlug ein Tamburin. Dimitri und Maur standen neben Cosotino und winkten mit Handschuhen, die in Phosphor getaucht waren.
    In dem trüben Licht muss es so ausgesehen haben, als wären es Geisterhände, denn die Leute fingen an zu kreischen und hörten nicht mehr auf, noch bevor Mr. Small oben aus Calebs Kiste herausgesprungen kam, in zerlumpten Kleidern und mit einer Perücke auf dem Kopf, die Alice ihm aus Rosshaar geflochten hatte. Mr. Small sprang umher wie ein Kaninchen mit einem kaputten schwarzen Hinterbein. Er stieß dabei alle möglichen sinnlosen Laute aus.
    Die Zuschauer aus der Stadt, die nicht schrien, saßen vornübergebeugt auf ihren Stühlen wie Kutscher, wenn ein Gespann galoppierender Zugpferde eine Schlange auf der Straße sieht und plötzlich stehen bleibt.
    Dann kam ich in meinem Kostüm als Sitting Bulls gefährliche Tochter auf die Bühne, stieg auf die Kiste und begann, auf Lakota zu sprechen. Da wurde doch tatsächlich gleich eine Frau ohnmächtig! Das Beste an diesen Séancen ist, dass ich nicht mehr mein Hemd ausziehen muss.
    Anschließend drehte Joshua die Lampe hoch und erzählte ihnen allen, dass das Leben nicht mit dem Tod ende, sondern dass wir ewig seien. Joshua lud den Bürgermeister und noch einen Mann aus der Stadt ein, den Vorhang aufzuziehen und Caleb anzusehen. Er lag gegen die Wand gepresst, schwitzte und hatte Schaum vor dem Mund. Das kann er sehr gut.
    Am nächsten Abend kamen zwanzig Leute. Und am Abend danach vierzig, und am folgenden Abend musste Joshua zehn Leute nach Hause schicken. Bald kamen Leute von weit her zur Danbyfarm, aus Kalifornien und sogar aus Europa, und tranken Spinnenmedizin und

Weitere Kostenlose Bücher