Mystic
Meinung jedoch schockte, war die Tatsache, dass der Tod für den Mörder zur Faszination wurde.
»Er war nicht der gewöhnliche Killer, der sich von dem, was er getan hat, möglichst lösen möchte und es zu rechtfertigen versucht«, erklärte Harold. »Er wurde zum Erforscher seines Handwerks, beschäftigte sich ausführlich mit der Geschichte von Mördern und der Rolle des Todes quer durch die Kulturen. Als wir eines Abends in San Salvador beim Essen saßen, behauptete er sogar, ein paar seiner Vorfahren hätten mit den Toten reden können.«
Harold kicherte bei dieser Vorstellung. Er hob den Zeigefinger seiner linken Hand und wies auf Gallagher. »Sie vor allem würden es faszinierend finden, sich mit Danby zu unterhalten.« Sein Gesicht nahm plötzlich einen verwunderten Ausdruck an, und er streckte den Kopf vor, um Gallagher im Zwielicht besser mustern zu können. »Sie sehen ihm ähnlich, wissen Sie das?«
Gallagher musste sauer aufstoßen bei dem Gedanken. »Da bin ich aber froh.«
»Na, machen Sie schon, Harold«, knurrte Jerry. »Sagen Sie uns endlich, womit man da oben in Vermont rechnen muss.«
Harold berichtete, er habe vor sechs Jahren laufend Informationen bekommen, dass Danby seine Ausfallzeit bei Indianerstämmen am oberen Amazonas verbringe. Er ging mit ihnen im Dschungel auf die Jagd. Er nahm an Zeremonien teil, bei denen ihm Halluzinogene in die Nasenlöcher geblasen wurden. Bei Missionen wurde er gesehen, wie er eine rohe Kokainpaste schnupfte und schwer trank.
Zweimal verursachte Danby bei seinen Aufträgen unnötige Todesfälle unter Zivilisten, was unentschuldbar war und Plutos guten Ruf bei Operationen schädigte. Harold warnte Danby mehrmals, seine Übergriffe könnten zur Beendigung ihres Vertragsverhältnisses führen. Vor vier Jahren hatte Danby Harold von einem Tag auf den anderen darüber informiert, dass er ab sofort auf eigene Rechnung arbeiten würde. »Er nutzte die Kenntnisse, die wir ihm beigebracht hatten, und verschwand, bevor wir seine Konten einfrieren lassen und verhindern konnten, dass er uns Kunden abwarb.« Harold seufzte. »Es ging das Gerücht, er habe beschlossen, seine Geschäfte auf Mittel- und Südamerika zu konzentrieren, und in den nächsten achtzehn Monaten gab es mehrere Operationen, die mir nach Terrance aussahen; danach nichts mehr.«
»Nichts mehr?«, wiederholte Gallagher. Motten umflatterten eine Straßenlaterne am Parkweg, stießen gegen die Leuchtstoffröhre und fielen zu Boden.
»Nicht ein einziges Wort in drei Jahren, bis ich gestern von Ihren Nachforschungen erfuhr.«
Gallagher dachte eine Weile über das Gehörte nach, dann fragte er den alten Mann: »Hat er jemals eine Vorliebe für eine mythologische Figur namens Charun erwähnt?«
»Charun?« Harold war verblüfft. »Nein.«
»Wie steht’s mit einer Frau namens Angel? Er erwähnt sie in einigen der Briefe.«
»Terrance war immer ein Hurenbock«, sagte Harold naserümpfend. »Wenn er je eine feste Beziehung hatte, dann habe ich jedenfalls nie etwas davon bemerkt.«
»War er künstlerisch begabt? Konnte er zeichnen?«, fragte Gallagher und dachte an die Qualität der Zeichnungen.
Harold zuckte die Achseln. »Es würde mich nicht überraschen. Terrance mag verrückt sein, aber er ist zu allem fähig, was er sich vornimmt.«
»Hat er sich für die Sioux interessiert?«
»Für Indianer, meinen Sie?« Harold zog die Stirn in Falten. »Ich bin sicher, er hat irgendwann einmal etwas über sie gelesen. Er hatte breitgefächerte Interessen.«
Jerry kratzte sich den Bart, dann den Bauch. »Wo ist Danby zuletzt gesehen worden?«
»Südmexiko, nahe der Grenze zu Guatemala. Im April vor zwei Jahren.«
Monsignore McColl war vor zehn Jahren in Guatemala Missionar gewesen. Gallagher fragte Harold, ob Danby je den Priester erwähnt habe.
Der alte Mann zögerte und dachte nach. Es war inzwischen fast ganz dunkel geworden. Die Lichter um das Lincoln-Denkmal verbreiteten einen sanften Glanz in der feuchten Luft.
»Nicht mit Namen«, sagte er langsam. »Doch bevor wir ihm bei Pluto einen Vertrag gaben, haben wir weitere psychologische Tests von ihm verlangt. Terrance erzählte einem der Psychologen, er sei als Teenager von einem Priester missbraucht worden, aber er überging es lachend und meinte nur, er hätte es dem Priester ordentlich gegeben.«
Gallagher gab Harold einen kurzen Überblick über die Morde – einschließlich ihrer Brutalität –, die Charun-Zeichnungen und die Briefe. Dann
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