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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Mr. Matthews.«
    »Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir uns nie wieder sehen, Sie kranker Widerling.«
    »Ganz meinerseits, Sie unverschämter Schnüffler«, konterte Harold in seinem langgezogenen Singsang. »Doch nennen Sie es Kismet, dass wir uns wiedersehen.«
    Jerry hatte Gallagher am Flughafen abgeholt, als er um elf Uhr mit dem Flug aus Boston in Washington ankam. Bis zum Treffen mussten sie noch sieben Stunden totschlagen. In diesen sieben Stunden hatte Gallagher die ganze Geschichte über Harold gehört, wie dieser sich selbst auf ebendieser Parkbank zu Beginn der Bush-Administration Jerry vorgestellt hatte. Jerry hatte für
Time
an einer Story über das sogenannte »schwarze Budget« gearbeitet, mit dem die verschiedenen Geheimdienste finanziert wurden. Während dieser Recherchen hörte er Gerüchte über eine geheime Organisation, die mit ungeprüften Haushaltsmitteln unterhalten wurde. Jerry wusste kaum Einzelheiten über die Gruppe, doch führten ihn seine Recherchen sehr früh zu dem Schluss, dass eine der Aufgaben der Gruppe politische Morde waren, etwas, das der amerikanische Kongress fast zwei Jahrzehnte zuvor ausdrücklich untersagt hatte.
    Jerry arbeitete an dem Thema mit Unterbrechungen anderthalb Jahre. Seine Informanten hatten ihn auf bestimmte Ereignisse hingewiesen – die Erdrosselung eines Bankiers in Peru, das Verschwinden eines libanesischen Diplomaten in Paris, die Erschießung eines Handelsvertreters aus Hongkong in Djakarta –, doch war es ihm noch nicht gelungen, die Einzelteile zu einem schlüssigen Gesamtmuster zusammenzufügen, das man veröffentlichen konnte.
    Dann bekam Jerry Mitte 1990 einen anonymen Brief, der ihm vorschlug, sich doch einmal die Aktivitäten einer Export-Import-Firma mit Sitz in Miami genauer anzusehen. Die Firma hatte Beziehungen zu einer Bank in Louisiana, die in den Jahren der Reagan-Regierung unverhältnismäßig schnell gewachsen war. Jerry begann, Erkundigungen über Pluto Ltd. einzuziehen. Zwei Wochen später näherte sich ihm beim Verlassen seines Büros eine Limousine, deren Fahrer ihn wissen ließ, ein Vertreter von Pluto bäte um das Vergnügen, seine sofortige Bekanntschaft zu machen.
    Jerry wurde zum Lincoln-Denkmal gefahren, wo man ihm sagte, er solle zu einer Bank in der Nähe des Vietnam-Denkmals gehen. Dort wartete Harold auf ihn, mit einer dicken Mappe auf den Knien. Darin waren Fotos, die Jerry nackt mit der Frau seines Chefs an einem Strand von Jamaika zeigten. Es gab darin auch ein Dossier über die Verwicklung seines jüngeren Bruders in ein Kokain-Geschäft. Angesichts der Erpressung wurde Jerry zunächst flau im Magen, aber dann dachte er sich, dass sein Chef ein selbstgefälliger Pedant war, der seine Frau immer schon schlecht behandelt hatte; Lauren war mit einer Scheidung besser bedient. Was seinen Bruder anging, so hatte Jerry ihn schon seit langem abgeschrieben. Er konnte diese Schläge unter die Gürtellinie überstehen, und er sagte das Harold auch genau so.
    Harold hatte nur gelächelt und dann zwei weitere Fotos aus dem Ordner geholt, diesmal von zwei kleinen Mädchen, die in einem Park in der Nähe von Fort Collins, Colorado, spielten. Über den Köpfen der beiden Mädchen kreuzten sich jeweils schwarze, spitz zulaufende Linien. Die Fotos waren durch ein Zielfernrohr aufgenommen worden. Die Mädchen waren Jerrys Nichten.
    Jerrys Interesse an der Story schwand auf der Stelle. Sein ganzes Verlangen nach einer journalistischen Sensation verebbte kurze Zeit danach; er hatte begonnen, Bücher und Filmskripte zu schreiben, und so war es schließlich auch zu der Zusammenarbeit mit Gallagher gekommen.
    Jetzt wandte Harold sich um. Seine wächsernen Finger zitterten leicht, als sie sich wieder auf den Knauf seines Spazierstocks legten. »Sind Sie Polizist, Mr. Gallagher?«
    »Nein, aber ich arbeite mit der Kriminalpolizei des Staates Vermont an diesen Mordfällen.«
    Harold setzte seine langen, weiblichen Wimpern in Bewegung, als er ihn ansah. »In welcher Eigenschaft denn?«
    »Ich mache Recherchen. Ich bin Kulturanthropologe und Filmemacher.«
    »Seltsame Qualifikation für einen Mordspezialisten. Was bringen Sie denn als Kapital mit?«
    »Erkenntnis.«
    »Hm«, machte Harold nachdenklich. »Mr. Gallagher, ich habe den Eindruck, Sie sind ein verstörter Mann, der irgendetwas verbirgt. Wem bieten Sie Erkenntnis – der Polizei oder sich selbst?«
    Die Frage entnervte Gallagher, und er hatte keine Antwort parat. Emily, Many Horses

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