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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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herumstreichen sehen, und es war immer blinder Alarm gewesen. Auf diese Weise sagte sie Andie, dass sie sich einsam fühlte. Gedanken an Tee und Olgas selbstgebackenen Apfelkuchen trösteten Nightingale, als sie Feuer im Herd machte, um die Kälte zu vertreiben, die der zunehmende Sturm mit sich gebracht hatte. Doch als das Feuer knisterte, stand sie wieder da und starrte auf das Telefon, bis sie schließlich seufzend den Hörer abnahm und eine Nummer wählte.
    »Brigid«, begann sie, fast bevor Lieutenant Bowman »Hallo« gesagt hatte. »Ich muss weiter an diesem Fall bleiben.«
    »Warum sollten Sie nicht?«, fragte Brigid Bowman leichthin.
    Lieutenant Bowman stammte aus einer alten Familie von Vermont-Yankees aus Plymouth und besaß einen brüsken Umgangston, der fast als rüde bezeichnet werden konnte. Sie war nicht nur eine kluge Polizistin, sondern auch eine gewiefte, ehrgeizige Staatsbeamtin. Mit Vierunddreißig war sie die erste Kriminalbeamtin in der Polizeigeschichte des Staates Vermont geworden. Mit Sechsundvierzig hatte man sie zum ersten weiblichen Lieutenant der Kriminalpolizei des Staates ernannt. Es wurde gemunkelt, dass man sie bald zum Captain machen würde.
    Nightingale informierte sie über die Zeichnung, den Brief und Gallaghers Erklärung zum Charun-Mythos. Nachdem Lieutenant Bowman sie alles noch einmal hatte wiederholen lassen, entstand eine längere Stille am anderen Ende der Leitung. »Warum haben Sie mich nicht gleich angerufen?«
    Nightingale drehte an dem goldenen Stecker in ihrem linken Ohrläppchen und antwortete: »Weil ich Ihnen zeigen wollte, dass ich diese Beweisstücke dazu nutzen könnte, den Fall voranzubringen, was ich auch getan habe.«
    »Indem Sie die Spurensicherung nicht benachrichtigten und den Brief mit einem möglichen Verdächtigen besprachen?« Bowman sprach mit erhobener Stimme. »Haben Sie nicht gehört, wie dieser Gallagher erzählte, dass er Anthropologe ist, ein Mythenexperte?«
    »Natürlich«, erwiderte Andie Nightingale. »Ich habe ihn aber lange verhört, und mein Instinkt sagt mir, dass er es nicht gewesen ist. Ich gebe zu, er ist ein etwas konfuser New Yorker, doch wenn das das einzige Motiv für diesen Mord sein soll, dann hätten wir jedes Wochenende fünfzigtausend Verdächtige in Vermont.«
    »Er ist unser Hauptverdächtiger«, beharrte Bowman.
    »Ich schließe ihn ja noch gar nicht aus«, lenkte Andie ein. »Und ich habe Potters Haus versiegelt und seine Frau mit den Kindern zu ihrer Schwester geschickt, bis die Spurensicherung mit ihrer Arbeit fertig ist. Die Kollegen werden gleich morgen früh da sein.«
    Schweigen. Dann fragte Bowman: »Wie fühlen Sie sich?«
    »Gut.«
    »Bestimmt?«
    »Brigid, es ist jetzt zwei Jahre her.« Andie drehte Knoten ins Telefonkabel.
    »Ich weiß, aber dass Sie so was wie den Brief nicht gemeldet haben …«
    »Ich werde mit dem Fall schon fertig, das müssen Sie mir glauben. Das haben Sie früher ja auch getan.«
    Eine dritte lange Pause entstand zwischen ihnen, dann sagte Bowman: »Wir ziehen das Tag für Tag durch.«
    »Danke, Brigid.«
    »Ich will Ihren Bericht gleich morgen früh auf meinem Schreibtisch haben«, fuhr Bowman fort. »Und ich will, dass die Zeichnung und die Jagdkammer auf Fingerabdrücke untersucht und fotografiert werden und dass eine Kopie des ganzen Vorgangs an das FBI geschickt wird. Klar?«
    »Ja.«
    »Die Presse bombardiert uns mit Anrufen. Ich hoffe nur, Ihr Mr. Gallagher posaunt nichts über den Brief aus. So entsteht Hysterie.«
    »Ich habe ihn gebeten, mit niemandem über den Brief oder die Leiche zu sprechen«, sagte Nightingale. »Ich hätte gern Ihre Erlaubnis, weiter mit ihm im Gespräch zu bleiben. Er scheint Einblick in die Denkweise des Mörders zu haben.«
    »Vielleicht, weil er der Mörder ist«, meinte Bowman. »Ich will dabei sein, wenn Sie das nächste Mal mit Mr. Gallagher reden.«
    »Geht in Ordnung«, versprach Andie. »Und, Brigid …?«
    »Ja bitte?«
    »Danke für die Chance. Wir sehen uns bei der Autopsie Montag früh.«
    Nightingale legte den Hörer auf, warf die Fäuste in die Luft, schüttelte sie und führte einen kleinen Freudentanz auf. Beinahe sofort verebbte ihr Hochgefühl jedoch wieder. Ihre Handflächen schwitzten und die Zunge schwoll ihr im Mund. Ihre Aufmerksamkeit kehrte zu der Fuchsie zurück, der sie sich schnell wieder widmete. Sie topfte die Pflanze vollends um, setzte sich dann an ihren Computer und versuchte, den Bericht zu schreiben, aber sie wurde

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