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Mystic

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Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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können, waren die schwachen Stiefelabdrücke, Größe 13 , im Matsch unter der Dachtraufe von Potters Hühnerstall.
    »Wir wollen hier nicht herumstreiten«, sagte Allen. Er leckte seinen Finger an und versuchte, ein besonders widerspenstiges Haar an seiner Augenbraue festzukleben. »Konzentrieren wir uns auf die Beweisstücke. Er ist ein Hüne von Mann. So groß wie du, Mike.«
    »Seine Schuhe sind mir scheißegal«, knurrte Kerris. Er streifte die Ärmel seines Sweatshirts an seinen Armen hoch, bevor er diese vor der Brust kreuzte. »Man will mich aus den Ermittlungen im brutalsten Mord in der Geschichte von Lawton ausschließen.« Er schnippte mit den Fingern und wies mit dem Kinn in Nightingales Richtung. »Jetzt verstehe ich. Du machst das, damit die Leute vergessen, dass –«
    Lieutenant Bowman fiel ihm ins Wort. »Das hat nichts damit zu tun, Chief.«
    »Von wegen«, konterte Kerris. »Und ich will Ihnen noch was sagen: Bürgermeister Powell wird ganz schön sauer sein, wenn er von dieser Zeichnung erfährt. Er steckt mitten in schwierigen Verhandlungen und muss alles unter Kontrolle behalten.«
    Andie Nightingale schnaubte verächtlich. »Mike, es ist mir ziemlich gleichgültig, ob irgendein Investor aus New Jersey, der ein Hundert-Millionen-Dollar-Hotel am Berg bauen möchte, weiter glaubt, Lawton sei eine perfekte Gemeinde in Vermont. Das ist es nämlich nicht. Ist es nie gewesen. Das solltest du doch besser wissen als die meisten anderen, oder?«
    Der Blick, den Kerris Nightingale zuwarf, hätte töten können.

9
    Zwei Stunden später faltete Patrick Gallagher den
Rutland Herald
wieder zusammen und schob seinen Frühstücksteller im Miss Lawton Diner zurück, einem Speiselokal in der Stadtmitte zwischen dem Hard-Cider-Geschenkeladen und einem Geschäft der Ralph-Lauren-Kette. Die Tische in den Wandnischen und die roten Drehhocker an der Theke waren von Einheimischen besetzt: Milchwagenfahrer saßen neben Anwälten, und Müsli essende Umweltschützer zwängten sich neben Countrymusic-Sänger und übernächtigte Truthahnjäger. Alle unterhielten sich leise und besorgt über den Mord oder lasen die Artikel darüber in der Zeitung.
    Die erste Seite des
Herald
brachte eine lange Fortsetzung des Artikels vom Sonntag neben einer Reportage über die ökologischen Auswirkungen des Komplexes aus Hotels und Eigentumswohnungen, der am Fuße des kleinen Skigebiets am Lawton Mountain gebaut werden sollte. Gallagher überflog diesen Artikel, bis Bürgermeister Powell mit einer Platitude über Lawtons Entwicklung ins 21 . Jahrhundert zitiert wurde.
    Der Folgebericht über den Mord an Potter war viel interessanter, und er las ihn noch ein zweites Mal. Der Bericht beschrieb, wie die Spurensicherung der Staatspolizei Haus und Grundstück des Zahnarztes untersucht hatte. Dann identifizierte der Artikel eine Brücke über den Bluekill River als wahrscheinlichen Schauplatz des Mordes, ohne jedoch den Brief und die Zeichnung zu erwähnen, die Gallagher zwei Abende zuvor gesehen hatte.
    Lieutenant Bowman, nicht Andie Nightingale, hatte Fragen über den Fall beantwortet. Sie und Chief Kerris hatten am Sonntag erklärt, dass die Polizei des Staates Vermont und die örtlichen Polizeibehörden bei den Ermittlungen bestens zusammenarbeiteten. Am zweiten Tag der Geschichte war Gallagher zweitrangig geworden, man sprach von ihm als »einem urlaubenden New Yorker Angler, der Potters Leiche im Bluekill River gefunden hatte«.
    Gallagher hatte es abgelehnt, mit dem jungen Reporter zu sprechen, der ihn am Sonntagnachmittag angerufen hatte. Ihm war klar, wenn er das Geheimnis des Briefes ausplauderte, würde ihn die Polizei völlig außen vor lassen. Seit er die Zeichnung gesehen hatte, war ihm der Fall nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Dabei hatte sich der Tenor seiner Fragen von der philosophischen auf die praktische Ebene verlagert. Kannte Hank Potter seinen Mörder? Der Ton des Briefes ließ darauf schließen, dass Rache zu den Motiven des Mörders gehörte. Rache an dem Zahnarzt? Oder Rache an Lawton? Oder beides zusammen?
    Für Gallagher war das Nachdenken über den Mord wie ein spätes Erwachen nach einem langen, schweren Schlaf in heißer Sommersonne. Das Erforschen unbekannter Sitten und Gebräuche hatte ihn schon immer mit neuen Energien erfüllt. Ein Mordfall schien Gallagher genau die richtige Kultur zum Auskundschaften zu sein. Und, wie er zugeben musste, genau die richtige Art, der Selbsterforschung aus dem Wege zu

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