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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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fragte: »Als du mit dem Lederbeutel wieder ins Krankenhaus kamst, was hat deine Mutter da gesagt?«
    Andies Unterlippe zitterte. Sie war erleichtert, endlich reden zu können. »Sie sagte, ihr Vater habe ihn ihr gegeben und der habe ihn von meiner Urgroßmutter. Es ist aus dem Tagebuch einer Sioux-Frau, die angeblich vor vielen Jahren in Lawton lebte.«
    Weil sie seine nächste Frage ahnte, fuhr Andie gleich fort, sie wisse nicht, wie die Sioux-Indianerin nach Lawton gekommen sei. Ihre Mutter habe gesagt, es hinge alles mit etwas Schrecklichem zusammen, das vor mehr als einem Jahrhundert in Lawton geschehen sei, etwas »Unheiliges«.
    Gallagher beugte sich vor. »Was soll das heißen, ›unheilig‹?«
    Andie nahm unsicher einen Schluck schwarzen Kaffee. »Meine Mutter war eine strenge Katholikin. Sie sah alles aus der Sicht ihrer Religion. Sie nannte das, was in diesem Lederbeutel steckte, ›Beweis einer Gotteslästerung‹.«
    »Ist das alles, was sie gesagt hat?«
    »Nein, das ist nicht alles«, antwortete Andie gereizt. »Doch so voll von Medikamenten, wie sie war, ergab das meiste von dem, was sie erzählte, keinen Sinn, außer dass vor langer Zeit einige Leute in Lawton wollten, dass die Geschichte der Sioux-Frau aufbewahrt würde, sie aber keiner einzelnen Person die Aufbewahrung anvertrauen wollten. Deshalb teilten sie das Tagebuch.«
    »Wer hat die anderen Teile?«
    »Meine Mutter sagte, es gäbe noch sechs weitere, vielleicht auch noch mehr, aber sie wusste nicht, wer es war. Ihr Vater und ihr Großvater wussten es auch nicht. Es schien fast, als wäre es genau so geplant worden.«
    »Von wem?«
    Sie zuckte die Achseln. »Das wüsste ich auch gern. Vielleicht könnte ich dann die anderen retten.«
    »Du meinst, Charun bringt die Leute um, die Teile des Tagebuchs besitzen?«
    »Ja, das glaube ich, ich kann es aber nicht beweisen. Ich habe schon Paula Potter angerufen, um sie zu fragen, ob sie jemals so etwas wie einen Lederbeutel gesehen habe. Sie hatte aber keine Ahnung, wovon ich sprach.«
    Gallagher sah sie durchdringend an. »Weshalb hast du Lieutenant Bowman heute Morgen nichts von alledem erzählt? Warum rufst du sie nicht an und erzählst es ihr jetzt?«
    »Du weißt eigentlich nichts von mir«, stellte sie nachdenklich fest.
    Er antwortete nichts darauf. Andie presste die Faust an den Mund. Die Katze strich durch die Küche und sprang auf Gallaghers Schoß. Sie schnurrte und rieb ihren Kopf unter seinem Kinn. Als Andie dies sah, weiteten sich ihre Augen und nahmen einen sanfteren Ausdruck an.
    »Tess mag eigentlich niemanden«, meinte sie verwundert.
    »Soso, niemanden«, frotzelte er.
    »Na gut, mich mag sie auch«, sagte Andie.
    »Das wundert mich gar nicht.«
    Andie wurde rot und senkte den Kopf, erlaubte sich jedoch ein Lächeln.
    Sie gestand, dass in ihrer Familie Alkoholmissbrauch eine Tradition habe. Ihr Vater war ein Farmer, der im Winter Holz schlagen ging. Als Andie sieben war, fiel ihm, als er allein draußen im Wald arbeitete, ein Baum aufs Bein und hielt ihn fest. Er grub sich einen Weg, auf dem er unter dem Baum hervorkommen konnte, und kroch aus dem Wald heraus. Er verlor sein Bein unterhalb des Knies, aber nach sechs Monaten arbeitete er schon wieder.
    Doch als ihr älterer Bruder Billy in Vietnam fiel, war es mit ihres Vaters sprichwörtlicher Zähigkeit vorbei. In sieben Jahren trank er sich zu Tode.
    »Meine Mutter hat das in fünf Jahren geschafft«, meinte Gallagher lapidar.
    »Das tut mir leid.«
    »Mir auch wegen deines Vaters.«
    Sie schwiegen eine ganze Zeit.
    Dann erzählte Andie, sie habe als Teenager Probleme mit Alkohol gehabt, sei jedoch schon zehn Jahre trocken gewesen, als ihre Mutter starb. Zwei Monate nach der Beerdigung fand sie, ein Screwdriver zum Mittagessen sei eine gute Art und Weise, den Schmerz über den Verlust zu dämpfen. Bald gab es Screwdrivers auch schon zum Frühstück.
    Ein Jahr nachdem sie mit dem Trinken begonnen hatte, war sie auf den Fall eines Doppelmordes in Newport an der kanadischen Grenze angesetzt worden. Sie fasste den kanadischen Drogenhändler, der die Morde begangen hatte, ging jedoch nicht richtig mit den Beweisstücken um. Der Verteidiger zwang sie, zuzugeben, dass sie am Tatort unter Alkoholeinfluss gestanden hatte. Der Drogenhändler kam frei. Andie wurde in Urlaub geschickt, absolvierte ein Rehabilitierungsprogramm und rührte zwei Jahre keinen Tropfen an, bis gestern Abend. Sie hatte seither auch in keinem richtigen Mordfall mehr

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