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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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ermittelt. Lieutenant Bowman hielt sie davon fern und gab ihr die Fälle, bei denen alte Damen die Treppe hinunterfielen und ohne Zeugen starben.
    »Das erklärt immer noch nicht, warum du ihr nichts von den Lederbeuteln erzählt hast …«
    »Weil ich die Nerven verloren habe, okay?«, rief sie. »Ist dir das etwa noch nie passiert? Ich fand das Kruzifix auf dem Boden und wusste sofort, Olga musste auch ein Stück von dem Tagebuch gehabt haben. Dann hast du die zweite Zeichnung gefunden, und ich hatte auf einmal das Gefühl, als schnatterten mehrere Stimmen in meinem Kopf durcheinander, die mir sagten: Mach dies, mach das nicht, sag dies, sag das nicht. Die wurden so laut, dass ich mich selbst nicht mehr reden hören konnte. Dann hat Brigid mir gesagt, ich solle nach Hause gehen. Weißt du, dass es für einen Alkoholiker, der kurz davor ist, wieder mit dem Trinken anzufangen, das Schlimmste ist, wenn man ihn sich selbst überlässt?«
    »Ruf sie doch jetzt an«, schlug Gallagher vor. »Red es dir von der Seele.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe ihr nicht sofort von der Zeichnung in Hank Potters Haus erzählt, weil ich ihr zeigen wollte, dass ich eine gute Mordkommissarin bin. Das hätte mich fast den Fall gekostet. Wenn ich jetzt ankomme und erzähle, dass ich es noch einmal so gemacht und außerdem getrunken habe, dann kann ich mich von diesem Job verabschieden. Und dieser Job ist mein Lebensinhalt.«
    Ihre Prophezeiung schwebte wie ein Trauerflor zwischen ihnen.
    »Dann gibt’s nur eins, was du tun kannst«, sagte Gallagher und versuchte, so entschlossen zu klingen wie möglich. »Herausfinden, wer Charun ist, und ihn festnehmen, genauso, wie man das immer im Kino sieht.«
    »Leichter gesagt als getan«, meinte sie, zeigte jedoch ein Lächeln, das beinahe ein Lachen war. Sie nahm ein Papiertaschentuch und putzte sich die Nase.
    »Ich helfe dir dabei«, platzte Gallagher heraus.
    Sofort sah sie wieder bedrückt aus. »Warum solltest du das tun?«
    Gallagher hatte sofort das Gefühl, er sollte sein Angebot lieber wieder zurücknehmen. Was war in ihn gefahren? Ein Teil von ihm wollte aufstehen und gehen. Er hatte genug von den endlosen Lügen, die Trinker ein Leben lang erfinden. Doch da waren diese mysteriösen Zeichnungen und jetzt das Tagebuch einer Sioux-Frau. Und noch etwas anderes.
    »Weil ich das Gefühl habe, du und ich, wir sind uns sehr ähnlich«, sagte er. »Und weil du Hilfe brauchst.«
    »Hast du je getrunken?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete er gleichmütig. »Aber ich bin von zwei Trinkern aufgezogen worden. Beide sind am Suff zugrunde gegangen. Und ich kenne das Bedürfnis, den Schmerz abzublocken. Meine ehemalige Frau sagte immer, ich benutze das Anhäufen von Informationen so, wie meine Eltern den Schnaps benutzten – als eine Schutzschicht gegen die bloßliegenden Nervenenden des Lebens.«
    Sie sah ihn lange an und lachte dann sogar. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du sehr seltsam redest?«
    »Da bist du nicht die Erste.«
    Zehn Sekunden lang grinsten sie sich an wie zwei Idioten, dann brach Gallagher den Bann, indem er sagte: »Du musst doch irgendeine Theorie haben, weshalb Charun wegen des Tagebuchs einer Sioux-Squaw mordet.«
    Andie nickte. »In beiden Briefen hat er gesagt, er sei hinter etwas her, das ihm gestohlen worden sei. Er muss der Ansicht sein, die Tagebuchteile gehörten ihm.«
    »Dann könnte er indianischer Abstammung sein«, folgerte Gallagher, »ein Nachkomme der Sioux-Frau.«
    »Möglicherweise«, stimmte Andie zu.
    »Gibt es hier in Lawton irgendein Dokument über ihren Tod?«, fragte Gallagher.
    »Nach dem Tod meiner Mutter bin ich die alten Zeitungen und die Sterbeurkunden der Gemeinde durchgegangen, habe aber nichts über eine Sioux gefunden«, antwortete sie. »Aber ich hatte ja auch nicht mal einen Namen, nach dem ich hätte suchen können.«
    »Hat dir Olga jemals erzählt, dass sie einen Teil des Tagebuches besaß?«
    Andie schüttelte den Kopf. »Nie. Aber ich glaube, sie wollte mir davon erzählen, als ich das letzte Mal bei ihr war. Sie sagte irgendwas von Bären und Geheimnissen, und ich war zu beschäftigt mit anderen Dingen, um richtig zuzuhören.«
    »Hat nun Olga das Kruzifix auf der Wiese fallen lassen oder der Mörder?«
    Andie kaute auf der Innenseite ihrer Wange. »Es hat so viel geregnet, dass alle Fußspuren verwischt waren. Und der Schmutz auf dem Kruzifix hat alle Chancen, dass es Fingerabdrücke geben könnte, zunichte

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