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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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moosbewachsenen, umgestürzten Stamm; dabei bemerkte sie nicht, dass sich Olga Dawsons Lederbeutel aus der Tasche ihrer Regenjacke löste und durch die Luft wirbelte.
    Gallagher stoppte abrupt und sah, wie der Beutel über den Pfad flog und im regennassen Gebüsch landete. Auch die Tarnhaube des Jägers folgte ihrem Flug. Gallagher machte einen Sprung darauf zu. Sofort schwenkte die Flinte in seine Richtung. Dann Mündungsfeuer und ein ohrenbetäubender Knall. Gallaghers Beine knickten ein, und er lag mit dem Gesicht nach unten mitten auf dem Pfad.
    »Ich bin getroffen«, sagte Gallagher erstaunt vor sich hin.
    Der Jäger schob eine neue Schrotpatrone in den Lauf, erhob sich und zielte auf Gallagher herunter, der den Kopf hob und über die schmale Lichtung in die Schlitze der Haube blickte. Die starren Augen sahen aus wie polierter, schwarzer Marmor. Sie hielten Gallagher in ihrem Bann, so wie eine Kobra ihre Beute erstarren lässt – durch die Spiegelung eines unendlichen, zeitlosen Vakuums, das jegliche Verständigung verwirft.
    Andie tauchte hinter dem Baumstamm auf, die Pistole in den zitternden Händen haltend. »Halt! Polizei!«, rief sie.
    Der Jäger starrte sie an, als erkenne er sie. »Angel!«, flüsterte er.
    »Lassen Sie die Waffe fallen!«, befahl Andie.
    Der Jäger schwang die Flinte nach links und zog den Abzug durch. Ein Zweig neben Andie fiel zu Boden. Andie feuerte, ihre Kugel prallte an einem vorspringenden Felsen zur Linken des Jägers ab. Er lud durch, und sie duckte sich wieder hinter den umgestürzten Stamm. Noch einmal schoss er, die Schrotkörner sirrten hoch über ihrem Kopf durch die Luft. Dann wandte der Jäger sich um und rannte davon. Er bewegte sich im Zickzack zwischen den Stämmen hindurch, schlug einen Bogen nach Westen, und mit seinem laubähnlichen Tarnanzug wurde sein Schatten schnell zum Schatten des Waldes. Er war verschwunden.
    Andie machte Anstalten, ihn zu verfolgen, doch ihre Beine versagten, und sie musste sich an einem Baumstamm festhalten. Die Zeit floss auf einmal so zäh wie das Blut, das durch Gallaghers Jeans sickerte.
    »Er – er wollte mich umlegen!«, stammelte Gallagher. »O Mann, ich blute ja. Ich blute!«
    Andie eilte zu ihm hinüber, legte ihren Arm um ihn und meinte beruhigend, es sei nicht so schlimm. Gallagher schloss die Augen und glaubte ihr einfach.
    Sie half ihm, sich gegen einen Kiefernstumpf zu lehnen, holte ein Messer hervor und schnitt einen langen Schlitz in seine Jeans, um sich die Wunde ansehen zu können. Gallagher hatte das Gefühl, als beobachtete er sich selbst wie aus weiter Ferne. Die neun Schrotkugeln unter seiner Haut sahen aus wie Pfefferkörner in Tabascosauce.
    »Du wirst Schmerzen und ein paar blaue Flecken haben, aber lebensgefährlich ist es nicht«, verkündete Andie. »Ich bringe dich gleich zum Arzt. Und ich werde Kerris und den Wildhüter rufen, mal sehen, ob die das Schwein fassen können.«
    Sie war jetzt ganz geschäftsmäßig. Und Gallagher musste denken, wenn Andie Nightingale ein Vogel mit gebrochenem Flügel war, dann war sie ein Adler mit gebrochenem Flügel.
    Sie half ihm auf die Füße. Gallagher schlingerte leicht, als der Adrenalinstoß aufgebraucht war, die Schwäche des Schocks einsetzte und das Gefühl der Ferne stärker wurde. Andie legte sich seinen Arm um die Schultern. Sie war eine unerwartet starke Frau, und sie erreichten das abgemähte Maisfeld, das zwischen dem Kiefernwald und dem Farmhaus lag, in relativ kurzer Zeit. Der starke, unablässige Regen der letzten Tage hatte die Erde des Feldes klebrig und morastig werden lassen.
    Auf halbem Wege über das Feld blieb Andie stehen. Eine Reihe von etwa zwanzig Zentimeter langen Pfützen, abwechselnd rechts und links, durchfurchten den Morast bis dorthin, wo die Maisstoppeln auf ihren Rasen trafen.
    »O Gott, nein!«, rief sie und machte sich von Gallaghers Gewicht frei. Durch den Matsch sprintete sie auf das Haus zu, und ihm blieb nichts anderes übrig, als hinter ihr herzuhumpeln.
     
    Als Gallagher in die Küche hinkte, hatte sich Andie hysterisch über den Tisch geworfen. »Er hat beide Kreuze, den Beutel, das Haar, alles!« Erschrocken blieb ihr Mund offen stehen, als ihre Hände auf die Taschen ihrer Regenjacke schlugen. »Olgas Beutel! Wo ist Olgas Beutel?«
    Gallaghers Oberschenkel fühlten sich an, als wären Zigaretten auf ihnen ausgedrückt worden. »Er liegt dort draußen«, murmelte er benommen. »Als du in Deckung gingst, ist er in das Gebüsch

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