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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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kümmern, weil man wusste, dass Ten Trees uns Medizin gelehrt hatte. Die Soldaten stießen die alten Männer immer wieder mit ihren Gewehren und fragten sie, ob sie am Little Big Horn dabei gewesen seien. Ich hörte, wie Big Foot einem seiner Männer befahl, demütig zu sein, um uns nicht alle zu gefährden.
    Ein Trompetenstoß weckte mich bei Tagesanbruch. Painted Horses sagte, den Männern sei befohlen worden, in die Mitte des Lagers zu kommen, um dort mit den Soldaten zu sprechen. Sie deutete zu den Berghängen hinauf und sagte, die Soldaten hätten Gewehre auf Rädern hergebracht.
    Sie durchsuchten unsere Planwagen und nahmen unsere Äxte, unsere Messer und Gewehre an sich. Sie richteten die Gewehre auf uns und zogen mit leeren Läufen die Abzüge durch. Über uns konnte ich das Klicken und Nachladen hören.
    Als Painted Horses und ich zu der Ratsversammlung kamen, hatte meines Vaters Vetter, ein Medizinmann mit dem Namen Yellow Bird, begonnen, gegen die aufgehende Sonne den Geistertanz zu tanzen. Shakes Bird schloss sich ihm an und rief unsere Toten um Hilfe. Auch ich wollte mit ihnen tanzen, doch Painted Horses hielt mich zurück.
    Die Soldaten befahlen Yellow Bird und Shakes Bird, sie sollten aufhören, doch sie gehorchten nicht. Yellow Bird sang zu den gesprenkelten Adlern, dass er an unserer Stelle sterben wolle. Er nahm frische Asche vom Feuer des Rates, warf sie in die Luft und sang: »Auf diese Weise will ich gehen, Großvater – zurück zum Staub.«
    Einige der Soldaten versuchten, zu Yellow Bird zu gelangen. Andere bedrängten Black Coyote, der alt und krank war und nicht mehr richtig hörte. Sie wollten ihm sein Gewehr entreißen. Bei dem Handgemenge löste sich ein Schuss. Und die Soldaten begannen zu schießen.
    Painted Horses wurde bei der ersten Salve getroffen und fiel zu Boden. Ein Teil ihres Arms hing nur noch an einem Fetzen Haut. Sie sah mich an, als wäre sie erstaunt: »Rette dich, Many Horses«, sagte sie.
    Die Gewehre auf Rädern krachten wie der Donner. Der kalte, sonnige Tag war mit einem Mal voller Rauch, und es waren nur Schüsse und Schreie zu hören.
    Ich richtete meine Mutter auf und zerrte sie aus dem Rauch zu der Schlucht, wo wir Brennholz gesammelt hatten. Wir hätten es beinahe geschafft. Doch die Geschütze donnerten hinter uns her, und Painted Horses reckte sich wie ein Hahn in der Morgendämmerung. Ein Blutstrom schoss aus ihrem Mund, und sie fiel den Hang hinunter in die Pflaumenbüsche, wo sich alte Männer, Frauen und Kinder versteckten.
    Die Soldaten ritten auf ihren Pferden an den Rand der Schlucht und schossen hinein. Dann rollten sie die Kanonen heran, und alle, die sich versteckt gehalten hatten, begannen, zum Fluss hinunterzurennen. Doch waren zu viele vor mir, als dass ich es hätte schaffen können, und so schleppte ich Painted Horses’ Leiche in ein Zederndickicht und zog sie über mich, während der Donner den Tag erschütterte.
    Als es dunkel wurde, ließ das Schießen nach, bis es nur noch so klang wie Holz, wenn es nachts im Feuer knackt, und schließlich bestand die Nacht nur noch aus dem Quietschen der Planwagenräder, dem Stöhnen der Verwundeten und den Rufen von Soldaten in der Ferne. Ich kroch unter meiner Mutter hervor. Ihre Augen standen offen, und ich schloss sie ihr. Ich schnitt ihr eine Haarlocke ab, um ihren Geist befreien zu können, wie es Ten Trees mich gelehrt hatte. Und dann verließ ich sie.
    Bei Tagesanbruch ging ich allein in Richtung Süden. Die Sonne hatte sich in den Wolken versteckt, und ein feuchter, kalter Wind blies über das gelbe Gras, in dem die noch warmen Leichen unseres Volkes lagen.
    Ein Pferd trat auf einem Felsen über mir Steine los. Der Soldat mit den schwarzen Zähnen und dem wie in Fett getauchten Haar sah mich, lachte und gab seiner Stute die Sporen. Ich lief nicht fort, sondern stand da und wartete auf ihn. Ich betete zu Großvater, dass der Soldat mich erschießen möge. Der Soldat trat mit seinem Stiefel nach mir. Er traf mich an der Kinnlade, und um mich wurde es schwarz wie die Nacht.
     
    Durch den Schmerz, den er mir zwischen den Beinen antat, wachte ich auf. Schnee fiel. Ich ertrug seine Stöße und tat so, als schliefe ich immer noch. Als er auf mich fiel, die Augen geschlossen und den Mund offen und geifernd wie eine Hundeschnauze im Sommer, biss ich ihm die Nase ab und spie sie in den Schnee.
    Er heulte auf, rollte von mir herunter und griff sich an sein Gesicht. Ich zog ihm die Pistole aus dem Gürtel und

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