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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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abwesend.
    »Wir haben doch heute unseren Jahrestag«, protestierte Gallagher. »Vor vier Jahren haben wir den Tempel gefunden.«
    Sie spielte mit dem Ärmel der Lederjacke, die sie sich an diesem Tag gekauft hatte. »Ich bin schwanger, Pat«, sagte sie.
    Sein Schädel begann zu brummen. Ihm verschwamm alles vor den Augen. Er hielt sich am Tisch fest und wusste, er würde jetzt nicht aufstehen können, wenn er es versuchte.
    »Wie?«, fragte er. »Wann?«
    »Du weißt genau, wie und wann!«
    Die anderen Cafégäste begannen sich nach ihnen umzudrehen. »Was wollen wir jetzt machen?«
    »Ich weiß es nicht, Pat«, sagte sie. »Was wollen wir jetzt machen?«
     
    In Gallaghers Traum war es auf einmal Nacht, und der Boulevard St. Germain verwandelte sich in einen Fluss aus Öl. Die Leichen von Hank Potter und Olga Dawson trieben an der Oberfläche und drehten sich in einem Wirbel umeinander. Der Wirbel drehte sich immer schneller, wurde zu einem Strudel und zog die Leichen in die Tiefe.
    Er wurde mit ihnen in die Tiefe gerissen und ging in dem Ölfluss unter. Irgendwo in der flüssigen Nacht um sich her hörte er den Rhythmus einer Tanzrassel gegen die zarten Töne einer Holzflöte und den klaren, stolzen Gesang einer Frauenstimme in einer Sprache, die er nicht verstand.
    Davon wurde Gallagher wach. Oder wenigstens halb wach. Er träumte jetzt nicht mehr, sondern trieb in einem seltsamen Bewusstseinszustand zwischen Schlafen und Wachen. Er spürte verschwommen, dass er immer noch oben in der Hütte lag, dass Andie hinter ihm döste und dass er viele Stunden geschlafen hatte. Vage fühlte er die Decken um seine Schultern, roch den Mehltaugeruch des Teppichs und hörte den Regen auf das Dach trommeln.
    Dann trat aus der Dunkelheit ein heißer Lichtball hervor, ein strahlendes Prisma, das in Abständen rosarote, blaue und gelbe Farbtöne abgab. Der Rhythmus der Rassel klang jetzt gleichmäßiger, wie das Rauschen eines Radios. Der Lichtball wurde größer. Die farbigen Strahlen zerfielen in Lichtpunkte. Jeder einzelne Punkt wurde zur Quelle neuer Strahlung, und im elektrischen Wirbel der Farben nahm Gallagher wie in einem Kaleidoskop das undeutliche Bild einer Frau wahr. Ihr Körper nahm einen schrägen Winkel ein. Ihr Gesicht war abgewandt.
    Sie sah aus wie eines jener pointillistischen Gemälde, die, aus der Nähe betrachtet, nichts weiter sind als ein Mischmasch von Punkten, aus der Ferne jedoch eine dynamische Figur in Bewegung erkennen lassen. Nur ihr Bild war in seinem Kopf, wie auf einem Monitor, und jedes Bildelement schien vor überschüssiger Energie zu sprühen, die von Punkt zu Punkt sprang und das genaue Aussehen ihrer Züge verwischte.
    Jetzt wurde der Farbwirbel langsamer, um einen fließenden blauen Rock, einfache schwarze Stiefel und einen Umhang aus dickem, braunem Büffelfell um ihre Schultern erkennen zu lassen. Ihre Bluse war aus grobem, handgewebtem Stoff, blutrot und mit indigofarbenen Symbolen von Mond und Sonne bestickt. Die Farbpunkte wirbelten und verloren ihre Farbe, bis sie wie ein Schneesturm tanzten. Die Frau hielt die Zügel eines gesattelten Pferdes in ihrer Hand. Sie trottete mit gesenktem Kopf in das endlose Weiß hinein. Das Pferd ging im Krebsgang seitlich gegen den Sturm an, erhob sich dann auf die Hinterbeine und riss an seinem Zügel.
    Die Frau hielt es zurück und wandte ihr Gesicht gleichzeitig zu Gallagher: Als sie sprach, hallte ihre Stimme wie in einem Wüstencanyon. »Hilf mir«, bat sie. »Hilf mir weiter!«
     
    Gallagher fuhr schweißgebadet hoch; sein Kopf ging von einer Seite zur anderen, als er in dem halbdunklen Zimmer nach etwas suchte, er wusste selbst nicht genau wonach. Andie wurde davon wach und setzte sich neben ihm auf. »Leg dich hin«, sagte sie beruhigend. »Das ist wieder das Fieber.«
    »Nein!«, keuchte er und hielt dann mit offenem Mund inne. »Ich habe gerade einen Traum gehabt. Einen, wie ich ihn noch nie in meinem Leben –«
    Die Hütte schien plötzlich mit einer geheimen Bedeutung aufgeladen zu sein. »Sie hat hier gelebt, nicht wahr? Sarah? Hier, in diesem Raum. Das ist sie doch dort unten auf den Stichen neben dem Medium?«
    »Das ist möglich, ich weiß es aber nicht«, antwortete Andie in einem Ton, wie man ihn einem Dreijährigen gegenüber anwendet. »Diese Stiche sind seit ewigen Zeiten in der Hütte. Jetzt leg dich wieder hin.«
    »Du hast mir erzählt, Caleb spukte hier herum«, sagte Gallagher erregt.
    Sie lächelte ironisch, als sie ihn

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