Mystic
FELDZUG GEGEN DIE SIOUX 1890 – 1891 . JAMES MOONEY ET AL.: BERICHT DES KRIEGSMINISTERS. BAND NEUN, APPENDIX 3 , SEITEN 8004 – 8009 . U. S. NATIONALARCHIVE.
Barrett wählte den Eintrag aus und drückte noch einmal »Enter«. Die Abschrift eines Briefes erschien auf dem Schirm, und er drehte ihn so, dass Andie und Gallagher lesen konnten:
Majory John Appleby
Kaplan, 7 . U. S.-Kavallerieregiment
im Feld nahe der Cheyenne River Agency,
Dakota-Territorium
22 . Oktober 1890
Generalmajor Horace Tinmouth
Erster Kaplan
U. S.-Kriegsministerium
Büro des Ministers Washington, D. C.
Sehr geehrter Herr General,
auf Ihre Bitte hin habe ich sieben Wochen unter den Sioux in den Vertretungen von Standing Rock, Cheyenne Creek und Pine Ridge im Dakota-Territorium verbracht. Ihre Besorgnis über den wachsenden Einfluss des Geistertanzes ist mehr als gerechtfertigt.
Die Situation wird von Tag zu Tag explosiver.
Die gefährlichsten Sioux, einschließlich Sitting Bull und Hump, haben sich dem Ritus angeschlossen. Big Foot erwartet hocherfreut »das Kommen eines Messias«. Alle Krieger unter Big Foot sind im Besitz von Winchester-Repetierbüchsen, General.
Abgesehen davon ist es die ausdrückliche Politik der Vereinigten Staaten, die Indianer in unsere christliche Kultur zu integrieren. Diese Zeremonie stellt einen gewaltigen Rückschritt in unseren Anstrengungen dar, die Traditionen der Wilden auszumerzen.
Vor zwei Wochen bezog ich beim ersten Tageslicht meinen Beobachtungsposten oberhalb des No Water’s Camp auf Pine Ridge. Unter mir versammelte sich eine Menge von achthundert Köpfen um eine sieben Meter hohe Espe, die mit Opfergaben geschmückt war.
Durch mein Fernrohr konnte ich beobachten, wie Krieger und Squaws einen Kreis von hundertdreißig Meter Durchmesser bildeten. Die Squaws trugen lockere, weiße Gewänder mit weiten, fließenden Ärmeln. Die Gewänder waren am Hals blau gefärbt, der Ausschnitt war V-förmig und mit Figuren wie Vögeln, Mond und Sternen geschmückt. Die Geistertanzhemden der Krieger waren mit aufgemalten Adlern verziert und mit Federn, die mit dem Kiel am Handgelenk befestigt waren und frei in der Luft flatterten. Viele Tänzer hatten ihre Gesichter rot bemalt, mit schwarzen Halbmonden auf Wange und Stirn.
Als die Sonne aufging, fassten sich die Wilden an den Händen und begannen eine Tanzfigur mit stampfenden Schritten nach links. Ihre Füße wirbelten einen feinen, roten Staub über der Ebene auf. Und ihr abscheulicher Gesang ließ mir die wenigen Haare zu Berge stehen, die ich noch auf dem Kopf habe.
Dies ging so vom Tagesanbruch bis zum Mittag. Kurz nach zwölf Uhr zog von Westen schnell ein Sturm auf, der erste nach einer ermüdenden Hitzeperiode. Der Himmel färbte sich feuerrot. Der Wind wurde immer heftiger, der Tanz und der Gesang wurden immer schneller und lauter, bis die ganze Meute der Heiden laut heulend durcheinanderwirbelte.
Ich glaube fest an Jesus Christus, General, und Sie wissen auch, dass mein Glaube als Kaplan des 7 . Kavallerieregiments seit dem Massaker am Little Big Horn viele Male auf die Probe gestellt worden ist. Aber ich weiß nicht recht, wie ich erklären soll, was anschließend geschah. Die Sturmwolke bewegte sich plötzlich kreisförmig, doch in Gegenrichtung zu den Tänzern unten. Ein nebliger, schwankender Trichter erhob sich aus dem Bauch der Wolken. Regen fiel auf die Tänzer. Blitze zuckten. Donner dröhnte. Wenigstens fünfzig der Tänzer fielen vornüber in den Schlamm.
Sie verfielen in Krämpfe und zuckten, dann blieben sie stocksteif liegen. Manche von ihnen lagen eine Stunde oder länger im Schlamm, während der Sturm tobte und der verrückte Tanz um sie her weiterging.
Gegen dreizehn Uhr zog die Wolke nach Osten ab. Einer nach dem anderen erhoben sich die, die gefallen waren. Ein Teil der Menge löste sich aus dem Kreis und umringte jeden Einzelnen derer, die aufgestanden waren. Und immer wenn das geschah, redete und gestikulierte derjenige, der gefallen war, wild, und die ganze Bande geriet nur noch mehr außer sich.
Ich verließ meinen Posten so entsetzt, wie ich es selten in meinem Leben war.
Ich kann immer noch nicht erklären, was an jenem Tag geschah. Doch Sie kennen mich seit fünfzehn Jahren, Herr General, und auch auf die Gefahr hin, dass Sie mich für verrückt halten: Bei der Zeremonie spürte ich die Gegenwart von etwas, dem zum Wohle aller Einhalt geboten werden muss.
Bitte geben Sie meine Besorgnis an den
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