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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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umgab.
    »Sie hatten recht. Ich hatte unrecht«, begann sie in ihrer nüchternen Art. »Eddy, ihr Ehemann, hat ausgesagt, Libby habe ein Stück Tagebuch einer Sioux-Frau besessen, das ihr zusammen mit einem kleinen Kruzifix von ihrer Großmutter vererbt worden sei.«
    »Sie wollten mir einfach nicht glauben«, sagte Andie.
    Lieutenant Bowman hielt sich den Kragen ihres Trenchcoats zu. »Jeder von uns macht Fehler, Andie.«
    »Ich hab das längst begriffen«, räumte Andie ein. »Sie auch?«
    Lieutenant Bowman schnippte mit den Fingernägeln. »Sie machen es mir nicht einfach.«
    »Haben Sie es mir denn einfach gemacht?«
    »Tut mir leid. Ich habe nur meinen Job getan.«
    »Und ich will meinen Job zurückhaben«, sagte Andie. »Die Leitung dieses Falls.« Nach einer langen Pause nickte Bowman.
    »Gut«, sagte Andie. »Jetzt will ich sie mir ansehen.«
    Gemeinsam gingen sie ins Haus. Pflanzen lagen umgestürzt auf kürzlich gefirnissten Holzfußböden. Die Schubladen einer alten Kommode in der Ecke waren aufgerissen. Die weiße Polsterung der Wohnzimmermöbel war aufgeschlitzt. Blauglänzende Fische aus einem umgeworfenen Salzwasseraquarium lagen reglos und kalt auf triefendem Zeitungspapier. Bowman sagte: »Bei dieser Verwüstung müsste einer der Nachbarn etwas gehört haben. Ich habe ein paar Leute ausgeschickt, die danach fragen sollen.«
    Sie stiegen eine enge Treppe zum Schlafzimmer hoch. Ein Spezialist der Spurensicherung nahm gerade die Fingerabdrücke von einem Schmuckkästchen auf dem Schminktisch. Ein zweiter arbeitete am Fenster über dem Verandadach, wo ein Steighaken in den Rahmen getrieben worden war. Ein dritter Fachmann machte Aufnahmen. Kleidungsstücke lagen über den Boden verstreut. Ein Fernsehapparat, in dem ein Kirchenprogramm lief, lag auf dem Rücken. Eine Nonne im Habit leitete eine Talkshow.
    Was einmal ein schneeweißer Bettvorleger gewesen war, sah nun aus wie ein Gobelin in Rosarot und Rostbraun. Libby Curtins Leiche lag in der Mitte, mit dem Gesicht zur Tür und zusammengerollt wie ein Fötus, so als versuchte sie, sich vor den Schlägen zu schützen. Libbys weißes Baumwollnachthemd war blutdurchtränkt und an einigen Stellen nicht von ihrem Fleisch zu unterscheiden. Man hatte sie geknebelt. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie schien auf das Kruzifix an der gegenüberliegenden Wand zu starren. Vier ihrer Finger waren wie mit einer Gartenschere abgeschnitten worden.
    Mit zitternden Händen streifte sich Andie die Latexhandschuhe über. Sie nahm das halbvolle Weinglas vom Nachttisch auf, roch den schalen Chablis und setzte es abrupt wieder ab, als sie die vierte Zeichnung des Killers entdeckte, die über dem Körper ans Bett geheftet war.
    Charuns Penis war diesmal von einem Strick so eng abgebunden, dass die Spitze wie ein Pilz über dem Schaft stand. Die Augen des Monsters waren zu Halbmonden geworden. Die Pupillen waren nach oben gerollt, die Iris war blutrot gemalt. Bis auf einen waren alle Stiche an den Lippen der Bestie geöffnet. Der Mund grinste halb offen und zeigte rasiermesserscharfe Schneidezähne und geschwollenes Zahnfleisch.
    Andie warf einen Blick auf das Weinglas, löste dann die Zeichnung und drehte sie herum.
    Ich vögelte Angel mit verbundenen Augen und zugestopften Ohren, bis wir ans andere Ufer kamen. Vögelte sie, bis sie in das schlammige Wasser trat und hinauskletterte.
    Ich blieb warm und lebendig in meiner Persephone. Warm und tot. Kalt und tot, doch obwohl uns der Strick so eng zusammenband, konnte ich nichts sehen. Ich ließ sie am Ufer zurück, und sie ging weiter, während ich allein zurückruderte.
    Du denkst, du kennst mich jetzt, Lawton, doch du irrst dich. Ich bin der Fährmann. Ich bin der Liebhaber. Ich bin der Schamane, und ich bin der Veränderer.
    Der Sommer kommt. Und Hades hat Persephone wieder auf die Erde geschickt. Ich habe sie gesehen. Ich werde sie noch einmal besitzen, für eine neue Überfahrt.
    »Das kann kein Mensch sein«, sagte Bowman und sah Andie über die Schulter.
    »O doch, es ist einer«, entgegnete Andie. »Das ist ja das Problem. Nur Menschen sind fähig, Schönheit zu schaffen oder andere abzuschlachten.«
    Sie wandte sich an die drei von der Spurensicherung. »Na, wie sieht’s aus?«
    »Jede Menge Fingerabdrücke hier«, sagte der, der das Schmuckkästchen untersucht hatte. »Aber es gibt ein paar Flecken ohne Rillen darum; ich glaube, der Kerl hat wieder Handschuhe getragen.«
    »Verdammt!«, entfuhr es Andie.
    Mel

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