Mystic
Danbys abgehalten haben. Libby hielt das Versprechen, das sie ihrem Großvater gegeben hatte, aber sie fühlte sich nicht besonders wohl mit dem Beutel.«
»Warum?«, ließ sich Lieutenant Bowman von der Tür her hören.
»Weil er ihr Angst machte«, antwortete Curtin. »Ich habe auch alles gelesen, und es ist, als läse man etwas, das nie aufbewahrt werden sollte, das man jedoch nie loswerden kann. Ich weiß nicht, so als wäre es ein Vermächtnis, verstehen Sie?«
Curtin stülpte die Kaffeetasse auf der Untertasse um. »Glaubst du, jemand hat meine Libby wegen irgendeinem Scheiß umgebracht, der hier vor hundert Jahren passiert ist?«
»Ja, Eddy, das glaube ich tatsächlich«, antwortete Andie.
Curtins Augen füllten sich mit Tränen. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Die Tasse sprang in die Höhe und krachte auf die Fußbodenfliesen. »Wenn ich gewusst hätte, dass das passieren würde, dann hätte ich den verdammten Beutel schon verbrannt, als sie ihn mir das erste Mal zeigte!«
Andie dachte an ihre Mutter. »Mir geht’s genauso, Eddy.«
Jetzt begann der junge Mann zu schluchzen. »Was kann denn in dem Ding drin gewesen sein, dass jemand meiner kleinen Libby so was antun konnte? Wie kann das Gott bei einem Menschen zulassen, der so fromm war?«
»Das werde ich herauszufinden versuchen«, murmelte Andie beruhigend. »Wo hat sie ihn denn aufbewahrt?«
Curtin fing sich wieder und fuhr sich mit dem Unterarm übers Gesicht. Er langte hinter sich auf den Boden und hob eine gerahmte Stickerei auf – Narzissen und rosa Tulpen und ein Monogramm ihrer Namen, Libby und Eddy, die von einem Herzen getrennt wurden.
Er drehte es um und fingerte an den Haken, mit denen die Rückseite an dem Rahmen befestigt war. Andies Atmen setzte aus, als sie begriff, dass der Mörder Libby Curtins Teil von Many Horses’ Tagebuch nicht gefunden hatte.
Eddy brachte den Lederbeutel zum Vorschein und reichte ihn Andie, die ihn mit beiden Händen in Empfang nahm. Lieutenant Bowman machte einen Schritt nach vorn, um das zu sehen, an dessen Existenz sie nicht hatte glauben wollen.
»Ich versprech dir, Eddy, ich werd herausfinden, wer das Libby angetan hat«, sagte Andie.
»Ist er das? Ist das der Beutel? Was ist denn drin?«, ließen sich zwei Männerstimmen aus dem Flur hinter Lieutenant Bowman vernehmen.
Chief Kerris kam herein, dicht gefolgt von Bürgermeister Powell. Kerris’ Gesicht war gerötet, seine Augen glitzerten vor nervöser Erregung. Bürgermeister Powell stand auf den Zehenspitzen und versuchte, in die Küche hineinzusehen.
Andie stand auf und barg den Beutel hinter ihrem Rücken. »Lieutenant Bowman, ich möchte Sie bitten, diese beiden Herren hinausbegleiten zu lassen.«
»Was?«, rief Kerris ungläubig. »Dies ist unsere Stadt. Du kannst uns hier nicht hinauswerfen lassen.«
»Die Frau weiß nicht, was sie sagt«, polterte der Bürgermeister zustimmend.
»Ich habe meine Gründe«, sagte Andie zu Bowman. »Sie haben gesagt, dass ich den Fall leite.«
Lieutenant Bowman grub ihre Finger in einen verhärteten Muskel in ihrem Nacken.
»Den Fall leiten?«, schrie Kerris empört. »Du machst wohl Witze!«
»Sie macht keine Witze«, sagte Bowman schließlich. »Und entschuldigen Sie bitte, Chief und Herr Bürgermeister, doch Sie werden jetzt gehen müssen. Sergeant Nightingale hat hier das Sagen.«
»Ich gehe nicht«, sagte Powell bestimmt.
Kerris nickte. »Nicht, bevor ich erfahre, weshalb man uns hier heraushalten will.«
»Wie wär’s damit: weil um die Jahrhundertwende dein Ururgroßvater verrückt wurde«, antwortete Andie. »Er riss sich die Zähne aus dem Mund, weil er meinte, beim Mord an einem Indianermädchen geholfen zu haben.«
Sie fuchtelte mit dem Beutel vor ihren Gesichtern. »Das Indianermädchen, das dieses Tagebuch geschrieben hat. Ich glaube, ihr wollt das vertuschen. Ich glaube, dass es euch aus irgendeinem Grund lieber wäre, diese ganzen Ermittlungen würden eingestellt.«
Kerris und Powell erblassten beide.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie überhaupt reden«, würgte der Bürgermeister schließlich heraus. »Und ich werde nicht zulassen, dass der Ruf meiner Familie auf diese Weise beschädigt wird. Lieutenant, ich protestiere gegen diese verleumderische, völlig unbegründete Anschuldigung!«
Lieutenant Bowmans Finger gruben sich tiefer in den verspannten Nackenmuskel. Andie holte das Tagebuch aus dem Beutel und hielt es so, dass Bowman es sehen konnte.
»Sind Sie sicher?«,
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