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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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fragte Bowman schließlich.
    »Sicher?«, antwortete Andie. »Nein. Aber überzeugt. Ja.«
    Bowman rief zwei Polizisten herein, die draußen auf der Veranda standen. »Bitte begleiten Sie diese beiden Herren aus der abgesperrten Zone hinaus.«
    Kerris starrte wütend über seine Schulter zurück, während er hinausgeführt wurde. »Dafür wirst du bezahlen«, knurrte er. »Ihr beide werdet dafür bezahlen.«
     
    Andie folgte ihnen auf die Veranda und sah zu, wie die Polizisten sie in den strömenden Regen hinausbegleiteten, den Plattenweg hinunter bis zum schmiedeeisernen Tor. Blumensträuße waren an den Zaun gelehnt. Die Menge war angewachsen und erstreckte sich jetzt fünfzig Meter die Front Street hinunter. Ein halbes Dutzend Teams verschiedener Fernsehsender hatte seine Kameras unter Plastikplanen aufgebaut.
    »Die Presse ist ganz verrückt auf die Story«, bemerkte Lieutenant Bowman düster. »Und die Geier werden immer noch mehr.«
    »Sollen sie ruhig kreisen«, antwortete Andie. »Wir werden sie schon zu nutzen wissen.«
    »Wie denn?«
    Bevor Andie antworten konnte, kam einer der Polizisten, die Kerris und Powell hinausbegleitet hatten, durch den Regen zurückgelaufen und die Verandastufen hinauf. »Dahinten steht ein Priester, der sagt, er will hereinkommen und den Ehemann trösten«, berichtete er. »Er gibt an, das Opfer habe bei ihm gearbeitet.«
    Andie schirmte ihre Augen ab und suchte die gegen den Zaun drängende Menge ab. Der massige Oberkörper von Monsignore McColl überragte eine Taxushecke. Er trug einen schwarzen Regenmantel und stand ohne Kopfbedeckung im strömenden Regen. Der Priester hatte in den vergangenen Tagen an Gewicht verloren, das sah man an seinem Gesicht und seinem Hals. Unter seinem Kinn hing die Haut grau und lose wie ein Truthahnkropf.
    »In dem Brief, den er in Nyrens Haus hinterließ, sagte Charun, Angel habe ›Vida‹ gerufen.«
    »Und?«
    »Vida ist spanisch und bedeutet Leben«, erklärte Andie. »Mike Kerris lebte sechs Jahre in Chile. Monsignore McColl lebte fast zehn Jahre in Guatemala.«
    Bowman starrte sie völlig verwirrt an. »Was wollen Sie damit –?«
    »Monsignore McColl bleibt auch draußen.«
    »Aber der Mann ist doch Priester!«
    »Er steht unter Verdacht«, befand Andie. »Ich erkläre Ihnen das alles später genauer. Jetzt gehen wir erst mal da runter vor die Kameras und berichten den Leuten von dem Tagebuch und dem Lederbeutel. Das mindeste, was wir erreichen können, ist, dass wir einen weiteren Mord verhindern. Und wenn wir Glück haben, stellen wir dem Psychopathen eine Falle.«

34
    In der heißen, feuchten Dämmerung entdeckte Gallagher Harold zuerst. Er kam aus der Richtung des Lincoln-Denkmals und schlenderte einen Weg entlang, der zwischen blühenden Blumenbeeten verlief. Harold trug einen schicken blauen Leinenanzug, ein gestärktes Baumwollhemd von bester Qualität und eine blaugepunktete Fliege, und das alles bei einer Figur, die so schmal war wie ein Handtuch. Fröhlich schwenkte er seinen dünnen schwarzen Gehstock mit Silberspitze und einem Elfenbeingriff, der einem Wolfskopf nachgebildet war.
    Sein leicht hinkender Gang betonte noch sein selbstsicheres, beinahe aristokratisches Auftreten. Unaufgefordert setzte er sich zwischen Jerry Matthews und Gallagher auf die Parkbank unter den Bäumen in der Nähe des Vietnam-Denkmals.
    Harold legte die Hände über dem Wolfskopf zusammen und säuselte in samtweichem Südstaatendialekt: »Viburnum. Ist dieser Duft nicht verführerisch? Ich habe oft denken müssen, dass Viburnum das Aroma der Reinkarnation ist, des Frühlings, wenn er aus dem Winter erwacht.«
    Auch aus der Nähe hätte Gallagher nicht sagen können, ob Harold sechzig oder neunzig war. Sein stahlgraues Haar war noch voll, er trug es flott nach hinten gekämmt. Seine Haut war glatt und so blass, dass sie fast durchsichtig schien. Seine Lippen waren blutleer, beinahe blau. Er sog die Luft tief ein und seufzte noch einmal genussvoll: »Ah, Viburnum!«
    »Reden Sie keinen Scheiß, Harold«, knurrte Jerry.
    Jerry trug einen schwarzen Bart, war auch in Schuhen mit Absätzen nicht größer als ein Meter fünfundsechzig und wirkte mit seinen Hängebacken und dem ordentlichen Bierbauch eher wie eine Bulldogge im Ausgehanzug. »Weshalb haben Sie uns herbestellt?«
    Harold bedachte Jerry mit einem tadelnden Augenaufschlag. »Ich sehe, Ihre ungehobelte Art und Ihre Vorliebe für Fäkalausdrücke sind mit den Jahren nicht weniger geworden,

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