Mythica 06 - Goettin des Sieges
sandte die Macht, die sie heraufbeschworen hatte, blitzschnell durch das Orakel, um das Taxi zu schützen. Die Zeit stand still, so dass die Szene einen Moment aussah wie ein grauenhaftes Gemälde. Aber noch während sie den Zauber wirkte, wusste Venus, dass es zu spät war. Die Göttin atmete tief durch und bewegte ihre Hände über das Orakel. »Zeig mir Kat und Jacqueline«, forderte sie mit trauriger Stimme.
In dem Orakel erschien das Innere des Autos. Obwohl sie auf das Schlimmste vorbereitet war, stockte Venus der Atem und sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Anscheinend hatten sie den Unfall kommen sehen, denn sie hatten die Arme fest umeinandergeschlungen. Kat hatte eine grässliche Kopfverletzung, und ihr Hals war seltsam verdreht, aber Jacqueline saß auf der Seite, auf der der Suburban das Taxi erwischt hatte, und ihr Brustkorb war völlig zertrümmert.
Beide Frauen waren tot.
Obwohl sie sie erst so kurz kannte, brach es Venus fast das Herz. »Ich hätte besser achtgeben müssen. Ich hätte diesen Unfall verhindern müssen«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Sie waren so jung – so lebensfroh, niemals hätte ihr Leben so früh enden dürfen.« Dann stiegen vor den Augen der Göttin zwei leuchtend goldene Kugeln aus den gebrochenen Körpern der beiden sterblichen Frauen auf. Venus staunte. »Vielleicht gibt es doch etwas, was ich tun kann!« Kurz entschlossen fokussierte sie ihre Macht und sprach ihren Befehl durch das Orakel.
»Diese Seelen sind erfüllt mit Liebe und Leben – sie haben noch so viel zu geben. So bittet die Liebe selbst euch inniglich: Ihr Seelen, kommt in mein Reich und erfüllt eine Aufgabe für mich!« Venus schickte noch mehr Macht durch ihr Orakel, und als würde eine Flamme sie anziehen, stiegen die Seelen von Katrina und Jacqueline immer höher in den Energiestrom der Göttin, bis sie schließlich mit einem Geräusch wie ein knallender Sektkorken das Portal durchbrachen und direkt vor der Göttin in der Luft verharrten.
Als Venus wieder durch ihr Orakel blickte, sah sie das kleine gelbe Auto in Flammen aufgehen.
Die Göttin seufzte. »Also gut, meine Lieben, was machen wir jetzt?«
2
»Ihr habt was getan?«, ereiferte sich Athene, wobei sie Venus’ Ansicht nach recht unattraktiv aussah, und starrte ungläubig auf die leuchtenden Kugeln, in denen sich die beiden sterblichen Seelen befanden.
»Na, ich konnte sie ja nicht einfach sterben lassen«, entgegnete Venus und strich liebevoll über die Lichtkugel, die direkt vor ihr schwebte. »Es war schrecklich und viel zu früh. Sie sind beide noch so jung.«
»Sterbliche sterben. So ist das nun mal. Ihr hättet Euch nicht in ihr Schicksal einmischen dürfen.«
»Ach, bitte, sie sind moderne Sterbliche und glauben nicht an Schicksal.«
In diesem Moment kam Hera in Venus’ Gemächer geeilt. »Was ist passiert? Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht, als der Satyr mir Eure Botschaft gebracht hat und …« Die Göttin verstummte abrupt, als sie die beiden Lichtkugeln bemerkte, und runzelte ihre glatte Stirn. »Sind das sterbliche Seelen?«
»O ja, allerdings«, antwortete Athene.
»Und warum sind sie hier? Haben sie sich verirrt?«
»Nein, sie haben sich nicht verirrt. Das sind die Seelen von zwei sterblichen Frauen, und Venus hat sie hergebracht.«
Venus warf ihr einen bösen Blick zu. »Habt Ihr ab und an mal einen Orgasmus, Athene? Wenn nicht, ist das wahrscheinlich der Grund dafür, dass Ihr ständig so mürrisch seid.«
»Venus!«, mahnte Hera in strengem Ton, der die Göttin der Liebe daran erinnerte, dass sie sich in der Gesellschaft der Königin des Olymp befand. »Warum sind die Seelen zweier Sterblicher in Euren Gemächern?«
»Eine von ihnen« – Venus schwieg einen Moment, musterte die beiden Lichtkugeln eingehend und zeigte schließlich auf die ihr am nächsten schwebende – »diese hier, glaube ich, ist die Seele der Frau, die ich dazu auserwählt habe, uns bei unserem Achilles-Problem zu helfen. Und das dort ist die Seele ihrer besten Freundin.«
»Was nicht erklärt, warum ihre Seelen hier auf dem Olymp sind und nicht in ihren Körpern in der modernen Menschenwelt, wo sie hingehören«, erwiderte Hera.
»Sie sind nicht in ihren Körpern, weil ihre Körper tot sind«, erklärte Athene. »Genaugenommen sind sie zu Asche verbrannt.«
»Tot? Verbrannt? Wie sollte eine Tote uns bei unserem Achilles-Problem helfen?« Hera rieb sich mit einer Hand die Schläfe und strich mit der anderen durch
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