Mythor - 037 - Der Koloss von Tillorn
zwei grausige Gesellen, die Mythor nur unter unsäglichen Mühen hatte bezwingen können. Lauerten hier ähnliche Gefahren, ähnliche Aufgaben auf den Sohn des Kometen?
Zu sehen war von solchen Gefahren nichts.
Mühsal war einstweilen alles, was auf Mythor wartete. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, auf der Oberfläche des ersten Innenkolosses zu spazieren. Die naheliegende Lösung, an der Wandung entlang zu rutschen, bis er den Boden berührte, erschien ihm wenig ratsam – er witterte Unheil.
Auf der Oberfläche aber musste er sich vorsehen. Glatt und tückisch war der Marmor, und es gab wenig, woran man sich festhalten konnte. Dieser Innenkoloss war merklich einfacher gearbeitet als der äußere. Es fehlten die feinen Details, und Mythor mutmaßte, dass er im Zentrum des Kolosses nur noch einen Umriss vorfinden würde – vorausgesetzt, er kam so weit.
Um einen Bereich des Kolosses machte Mythor vorsichtshalber einen Bogen – um den Sonnenschild. An dieser Stelle wölbte sich der Innenkoloss besonders hoch, und Mythor ahnte, dass dort besondere Kräfte am Werk sein mochten.
Er kletterte auf der Nachbildung des Gläsernen Schwertes entlang. Die Zeichen waren zwar nur schwer zu erkennen, aber es gab sie. Wenn es noch eines Hinweises bedurft hätte, dass dies ein Fixpunkt des Lichtboten war, war er damit gegeben.
Mythor erreichte die Füße des Innenkolosses. Dort war kein Eingang zu erkennen. Wenn einer existierte, war er hervorragend getarnt.
Er stellte außerdem fest, dass der Innenkoloss nicht, wie er vermutet hatte, auf der Innenwand des Außenkolosses auflag – es gab vielmehr zwischen den beiden Körpern den gleichen Zwischenraum, den Mythor auch oberhalb gefunden hatte.
Der Zugang zum nächstinneren Koloss war relativ bald gefunden. Er fand schließlich eine Öffnung in der Nähe der Füße, am linken Unterschenkel.
Um diese Öffnung erreichen zu können, musste Mythor sich unter den Innenkoloss begeben – und er misstraute der Stützkonstruktion, die diesen Koloss hielt.
Es gab auch Hinweise, dass die Angelegenheit lebensgefährlich war – ein paar bleiche Knochen zeigten, dass jemand hier gestorben war, und die Zustandsform der Knochen ließ vermuten, dass der Betreffende keines sehr angenehmen Todes gestorben war.
Mythor überlegte, bevor er handelte. Dann bewegte er sich vorwärts, auf die Öffnung am linken Unterschenkel zu.
Es passierte, womit er gerechnet hatte. Der Innenkoloss begann sich zu bewegen. Er sank herab, und die Bewegung war so schnell, dass Mythor zerquetscht würde, bevor er die Öffnung erreicht hatte.
Alles in Mythor schrie danach, entweder die Flucht anzutreten oder aber so schnell wie möglich zu dem Loch zu rennen. Aber er beherrschte sich.
Flucht erschien ihm als sinnlos, sie hätte ihn buchstäblich keinen Schritt weitergebracht. Eile schien da wesentlich naheliegender zu sein, aber bittere Erfahrung hatte Mythor gelehrt, dass das Naheliegende nicht notwendigerweise das Richtige sein musste.
In der Tat – der Koloss sank nun langsamer.
Mythor bewegte sich sehr zögernd, und er erreichte die Einstiegsöffnung in den nächsten Innenkoloss zu einem Zeitpunkt, da er nur noch wenige Handbreit Luft zwischen den beiden Wänden vorfand.
Es gehörte unerhörte Nervenbeherrschung dazu, die letzte Handbreit zurückzulegen. Der Koloss berührte Mythors Brust, ganz sacht, und die gewaltige Größe dieses Marmorblocks ließ es jedem geraten erscheinen, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Mythor bewegte sich trotz des langsam zunehmenden Druckes gemächlich, und so schlüpfte er glatt und ohne große Mühe hinein in den zweiten, inneren Koloss.
Obwohl er mit diesem Ergebnis gerechnet hatte, atmete er erleichtert auf, als die Gefahr vorüber war.
Wehe dem Unglücklichen, der den Trick nicht erkannte – er wurde wahrscheinlich binnen weniger Augenblicke zermalmt. Mythor konnte mit sich und seiner Nervenstärke zufrieden sein – möglich, dass er im Kampf um die Geheimnisse des Fixpunkts seinem Rivalen etliche Stunden abgenommen hatte.
»Weiter!« sagte er leise, sobald er seine hämmernden Herzschläge wieder beruhigt hatte.
Das Bild hatte sich nur unwesentlich geändert: Wieder war ein Koloss zu erkennen, noch gröber strukturiert als der erste, aber in seinen Umrissen eindeutig. Auch hier gab es eine Treppe – sie führte von den Füßen des Kolosses hinauf zum Kopf und lag wie die gesamte Inneneinrichtung auf der Seite.
Mythor ging weiter.
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