Mythor - 054 - Vina, die Hexe
war auch nötig. Denn Mythors Drang, die Regenbogenbrücke aufzusuchen, war unbezähmbar, und Oniak allein zurückzulassen, war unmöglich. Andererseits wollte Ramoa den Helden auf jeden Fall begleiten, wohin es diesen auch immer ziehen mochte. Sie wollte das Geheimnis, von dem Honga umwittert war, enträtseln, und sie wußte mehr über die Inseln als er, so daß sie ihm helfen konnte.
Mit zusammengebissenen Zähnen humpelte Oniak voran. Fast schien es, als wolle er den anderen nur beweisen, was er noch zu leisten vermochte. Nur wer näher hinsah, erkannte, daß zuweilen Schweißperlen auf der Stirn des schmächtigen Mannes erschienen, der sich mit seinem langen Gehstock voranarbeitete.
Die zersplitterten Rest des Flugdrachens blieben zurück. In Kürze würden ihn vielleicht die Pflanzen überwuchert haben und zu einem Bestandteil des Mord-Dschungels machen, der sich ständig veränderte. Rings um die freigekämpfte Fläche des Nachtlagers waren in der Dunkelheit gierige Pflanzen gewachsen, von denen niemand wußte, ob sie aus dem Boden aufgekeimt oder auf Laufwurzeln herbeigewandert waren.
An diesem Tag ließen sich die drei Menschen nicht mehr von Pflanzen überraschen. Sie hatten sich auf die Gefährlichkeit eingestellt und erkannten jede Gefahr rechtzeitig. Alton, das Gläserne Schwert, bahnte ihnen den Weg.
*
Die erste Hälfte des Tages verbrachten Vina und Gerrek mit der mühevollen Arbeit, die nähere Umgebung von gefährlichen Pflanzen zu befreien und eine Zone der Sicherheit zu schaffen, in der später die Arbeit an dem Ballon durchgeführt werden sollte. Zu ihrem nicht geringen Staunen wuchsen die Pflanzen in unheimlicher Geschwindigkeit nach. Mehr als einmal fragte sich Vina, ob sie die für ihr rasches Wachstum nötigen Säfte und Kräfte tatsächlich dem kargen Boden entzogen, oder ob es da noch andere Dinge gab. Vielleicht bekämpften und fraßen sie sich gegenseitig, oder… vielleicht zogen sie auf eine geheimnisvolle, unerklärliche Weise Kraft aus den Resten des Walles, den jene Zaubermutter vor Zeiten erschaffen hatte.
Vina vermochte es nicht zu sagen. Eine Hexe mit stärkeren Fähigkeiten hätte vielleicht die bei solcher Kraftgewinnung auftretenden Spuren feststellen können, aber Vinas Kräfte und damit ihre Rangordnung bewegten sich am oberen Rand des Durchschnitts.
Mit Feuer und Schwert zogen sie schließlich eine Zone der Vernichtung um den Zugvogel. Nach einiger Zeit schien es sich unter den mörderischen Pflanzen herumzusprechen, daß es hier keine leichte Beute zu holen gab. Die Pflanzen hielten sich mehr zurück.
Vina zeigte sich mit diesem Anfangserfolg zufrieden und fragte sich, wie es dem Beiden der Tau ergangen sein mochte. Nach ihrem Kampf gegen die Pflanzenwelt wußte sie, daß Honga einen sehr schweren Stand haben mußte. Vielleicht benötigte er sogar dringend Hilfe.
Als sie zu zweit den leeren Ballon von der Gondel gezerrt hatten und die durchlöcherte Stelle nach oben legten, wußten sie beide, welche Arbeit sie geleistet hatten. Der Tag neigte sich bereits wieder seinem Ende zu. Die leere Ballonhülle war äußerst schwer und nur mit größten Anstrengungen zu bewegen; dazu kam das Gewirr der Takelage und der Steuermechanismus der Flügel, der nicht beschädigt werden durfte. Es war Schwerarbeit gewesen und äußerst mühevoll, auf jede Kleinigkeit zu achten. Sicher wäre es einfach gewesen, die Taue einfach zu lösen und die Ballonhülle zur Seite zu ziehen. Diese Vertäuung aber später wieder korrekt anzubringen, hätte vielleicht Tage gedauert; Deshalb hatte Vina entschieden, die Sache von der anfänglich schwierigeren Seite anzufassen, um es hinterher erheblich leichter zu haben.
Die Nacht kam und damit die wohlverdiente Ruhepause. Aber mit der Nacht kamen auch die Pflanzen zurück…
*
Mythor und seine Gefährten wurden ebenfalls eher von der Dunkelheit überrascht, als sie es erwartet hatten. Die zurückgelegte Strecke täuschte über die Zeit hinweg. Im ständigen Kampf gegen die Pflanzen kamen sie nur langsam voran. Hin und wieder mußten sie sogar Umwege machen, weil besonders bösartige Gewächse den Weg versperrten. Die Vielfalt der Pflanzen war dabei ungeheuerlich.
Oniak war am meisten erfreut, als der Marsch unterbrochen wurde. Er ließ sich einfach auf den Boden sinken, schloß die Augen und schlief ein. Mythor und Ramoa machten sich gemeinsam daran, eine größere Fläche von allen Gräsern und Halmen und sonstigen
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