Mythor - 054 - Vina, die Hexe
Schritte vorwärts und bewegte sich so sicher wie auf festem Boden.
»Jetzt du!«
Oniak nickte und folgte dem Helden. Er humpelte weniger stark als früher, aber selbst Ramoa erkannte, wie sich seine Muskeln unter dem sackartigen Gewand verspannten. Es kostete Oniak gewaltige Anstrengungen, sich so zu bewegen. Er ging langsam und vorsichtig und versuchte mit dem Stock und dem Dreizack sein Gleichgewicht zu wahren.
Mythor sah sich um. Er ging langsam, um den Abstand zu Oniak nicht zu groß werden zu lassen. Wenn der kleine Mann stürzen sollte, mußte Mythor blitzschnell zupacken und ihn halten können. Er versuchte sich vorzustellen, wie er sich mit einer solchen Wunde bewegen würde. Oniak mußte Schmerzen empfinden, aber er schwieg verbissen, verzog nicht einmal das Gesicht. Nur das Flackern seiner Augen und der Schweiß auf der Stirn verrieten ihn.
Langsam arbeiteten sie sich auf dem Baumstamm vorwärts.
Immer wieder spähte Mythor umher, um die vermuteten Fischköpfe rechtzeitig erkennen zu können.
Trotzdem wurden sie überrascht.
Von einem Augenblick zum anderen waren die gefährlichen Räuber da und griffen an.
*
Das Wasser, knapp sieben Fuß unter ihnen, begann zu brodeln wie in einem Kessel, unter dem jemand ein starkes Feuer entzündet hat. Schlanke, menschliche Gestalten schnellten sich aus der Tiefe empor. Doch nur ihre Körper waren menschlich. Die Köpfe waren die von großen, gefährlichen Fischen. Fischmäuler klafften auf und ließen spitze Zahnreihen sichtbar werden.
Blutige Zähne im Kleinen…
»Fischköpfe!« schrie Ramoa auf.
Mythor zog Alton. Das Gläserne Schwert pfiff durch die Luft und gab seinen singenden Ton von sich. Die Fischköpfe, mit scharfen Hornmessern bewaffnet, stießen aus der Tiefe des Wassergrabens zwischen den beiden Inseln empor und schnellten sich aus dem Wasser, um nach den drei Gefährten zu greifen. Die ersten klauenförmig gekrümmten Hände mit spitzen, langen Fingernägeln krallten sich am Baumstamm fest.
Mythor hieb mit Alton zu. Das Schwert sang und schwirrte und warf die ersten Angreifer zurück, die sich am Stamm hochziehen wollten. Gefährlich wirkten die Fischmasken, ausgehöhlte Fischköpfe, von denen die Besessenen sich nicht mehr trennen konnten, gefährlich war aber auch die Schnelligkeit ihrer Bewegungen, mit denen sie immer wieder angriffen.
Alton lichtete ihre Reihen. Schrille Pfeiflaute ertönten, während die Gestalten ins Wasser zurückstürzten. Doch jene, die nicht tödlich getroffen wurden, griffen immer wieder an. Sie waren unglaublich zäh und nahmen immer wieder ihren »Anlauf« aus der Wassertiefe, um dann mit einem gewaltigen Sprung den Stamm zu erreichen. Und sie sprangen nicht nur dort hoch, wo sichdie drei Gefährten befanden, sondern auch vor und hinter ihnen. Sie hatten abgewartet, bis ihre Opfer sich genau in der Mitte befanden und fast hilflos waren.
Mythor begann zu schwanken. Nur mit Mühe konnte er sich noch auf dem Stamm halten, aber er wußte, daß er mit aller Gewalt vordringen mußte. Wenn er stehenblieb, war alles aus. Sie mußten vor den von hinten angreifenden Fischköpfen flüchten - nach vorn, in die Angreifer direkt hinein.
Hornmesser fuhren durch die Luft, versuchten den Kämpfer zu verletzen. Spitze Zahnreihen zuckten an ihm vorbei, verfehlten ihn knapp. Er schlug und rempelte und arbeitete sich vor. Oniak folgte ihm sofort, schlug mit dem Gehstock um sich, so gut er konnte.
Da schrie Ramoa auf.
Mythor fuhr herum. Er sah, wie einer der Fischköpfe mit einem Arm am Baumstamm hing und mit der anderen Hand einen der Füße der Feuergöttin umfaßte. Er versuchte, sie hinunterzuzerren, Sie ruderte wild mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten.
Mythor wußte, daß er es nicht schaffen konnte. Er fuhr mit dem Schwert herum, aber um den Besessenen zu erwischen, mußte er nach unten schlagen. Dazu blieb keine Zeit.
Oniaks Dreizack stieß zu. Der Fischkopf stieß einen gräßlichen Schrei aus und ließ Ramoa los. Die Feuergöttin taumelte zur anderen Seite und rutschte ab. Der Fischkopf umklammerte mit den Händen den Dreizack und riß ihn mit sich, während er in die Tiefe stürzte.
Oniak ließ zu spät los.
Er stürzte nach vorn ins Wasser. Eine Fontäne spritzte auf, als er in den Fluten verschwand. Der tödlich getroffene Fischkopf packte noch einmal zu und riß den kleinen Mann mit sich in die Tiefe.
Wie gelähmt stand Mythor da und starrte auf die Stelle, an der Oniak verschwunden war.
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