Mythor - 063 - Die Bestie erwacht
eines der beiden Mädchen. Auch sie mußten Novizinnen sein, und es waren andere als die fünf, die am Tor gewesen waren. Mythor entging nicht, daß der Ton der Aufforderung wesentlich unhöflicher ausfiel als zuvor.
Er sah, wie Scida sich mühsam beherrschte, um diese beiden jungen Mädchen nicht anzufahren. Ruckartig setzte sie sich in Bewegung und gab Mythor und Gerrek lediglich mit einer herrischen Kopfbewegung zu verstehen, daß auch sie mitkommen sollten.
Wieder hatten die beiden Mädchen kein Erschrecken vor Gerreks Aussehen gezeigt.
Mythor begann sich wieder seine Gedanken darüber zu machen, während sie diesen beiden Novizinnen folgten, die sich mit den drei Fremden im Rücken sehr sicher fühlten.
Sie verließen das Gebäude nicht wieder, sondern schritten über einen schmalen Gang mit ebenso schmalen Fenstern, die einen Blick auf die Farbenpracht des Gartens ermöglichten.
»Wohin soll’s eigentlich gehen?« fragte Gerrek.
Jetzt sprach doch eines der beiden Mädchen.
»Zu Noia!«
Damit glaubte sie alles gesagt zu haben, weil sie auf weitere Fragen keine Antwort mehr gab, aber nach zwanzig Schritten vor einer zurückliegenden Tür stehenblieb, diese aufstieß und dann links Aufstellung nahm, während die andere Novizin rechts stehenblieb.
»Eintreten!«
Es war keine Aufforderung, sondern ein Befehl, wie er knapper nicht mehr gefaßt werden konnte.
Scida trat nicht ein, sondern vor das Mädchen im schwarzen Gewand, und starrte ihr in die dunklen Augen.
»Danke deiner Zaubermutter, daß du eine Hexe werden wirst, weil ich mich an Hexen nicht vergreife, aber wärst du eine Kriegerin, würde ich für deinen unverschämten Ton deinen Kopf verlangen!«
Mythor hielt den Atem an.
Die junge Novizin zeigte vor Scida keine Furcht, nur in ihren Augen begann es kalt zu glitzern, als sie so schroff wie zuvor ihren Befehl wiederholte: »Eintreten!«
»Ich werde gleich was eintreten«, murmelte Gerrek kaum hörbar.
Nach Mythor betrat er als letzter diesen Raum, und dann standen sie der Befehlshaberin von Buukhain gegenüber.
12.
Diesmal endlich stellte Mythor eine Reaktion fest, aber das Mädchen hob nur einmal leicht die Brauen, als Gerrek sich hinter dem Gorganer in den Raum schob.
Das Mädchen, das sich jetzt von einem hochlehnigen Stuhl erhob, war kaum älter als die anderen. Achtzehn Sommer mochte sie zählen, wahrscheinlich noch weniger. Aber sie war eine Hexe! Ihr prachtvoll bestickter Umhang in Graubraun bewies es und vor allem die Ringe, die an ihren Fingern steckten und ebenfalls graubraun funkelten. Zu Mythors Überraschung besaß sie sogar die gleiche Augenfarbe.
Scida ergriff sofort das Wort. »Du bist Noia?«
Die blutjunge Hexe nickte. Kalt funkelte sie die Amazone an. »Ich bin Noia, und meinem Befehl untersteht Buukhain, in dem ihr euch befindet. Herzlich willkommen!«
Aber die Kälte ihrer Stimme und der Tonfall straften ihre Worten Lügen.
»Scida, Honga und Gerrek«, sagte die junge Hexe und ließ die Namen förmlich auf der Zunge zergehen. »Ich hatte es erst kaum glauben wollen, daß ihr die Dreistigkeit besäßet, tatsächlich hierherzukommen!«
Scidas Hand fuhr zum Schwert.
»Dafür, daß du eine Hexe des dritten Grades bist, führst du ein ziemlich großes Wort, Noia«, fauchte sie. »Zaem muß wohl diesen Teil Gavanques als sehr sicher ansehen, daß sie das Fort von einer so jungen und unerfahrenen, dafür aber frechen Hexe besetzen läßt! Weißt du nicht, wer ich bin?«
Noias Augen wurden schmal.
»Doch«, sagte sie. »Ich weiß es nur zu gut, Amazone Scida. Du bist eine Mörderin!«
»Das wagst du zu behaupten?« klirrte Scidas Stimme. »Beweise es, Hexe, oder deine Zaubermutter soll dich verfluchen!«
Noia lachte auf. Offenbar nahm sie die Drohung der Amazone nicht sonderlich ernst. Weshalb auch? Die beiden anderen Gestalten zählten nicht, und Scida stand allein gegen das ganze Hexenfort, aber dieser Drachenbestie traute Noia es durchaus zu, auf Befehl der Amazone zu morden.
Noia war sicher, daß Scida es nicht wagen würde, das Schwert gegen die Hexe zu erheben. Und wenn, so standen Noia die Kräfte der Magie zur Verfügung, sich zu wehren.
Mythor wollte etwas sagen, aber Scida bedeutete ihm mit einer knappen Geste, zu schweigen. Schulterzuckend trat der Gorganer einen Schritt zurück, sah Gerrek an und erkannte auch dessen Ratlosigkeit. Wen sollte Scida ermordet haben? Sicher hatte sie in ihrem langen Leben schon eine Unzahl von Menschen getötet, aber mit
Weitere Kostenlose Bücher