Mythor - 068 - Traumland der Ambe
waren.
Die Frauen waren kleinwüchsig, sprachen Vanga seltsam lispelnd und lächelten dauernd. Sie kleideten mich in einen Pelz, über den ich meinen Hexenmantel legte – und dann durfte ich vor ihre oberste Herrin hintreten, die mich lächelnd auf der Schwimmenden Stadt Keysland willkommen hieß.
Diese Schwimmende Stadt, so erfuhr ich, trieb in den Gewässern des Hexensterns. Mein Eintreffen war angekündigt worden, und ich sollte solange hierbleiben, bis Keysland auf ihrem Kurs zur nächsten Bucht am inneren Hexenstern kam und ich an meine Betreuerinnen übergeben werden konnte.
»Das wird in etwa drei Wochen sein«, lispelte die oberste Keysin Til-Muini. »Solange wird dir unsere Stadt zu Füßen liegen.«
Ich genoß den Aufenthalt und war sehr glücklich. Nur als die Zeit des Abschieds näher rückte, befiel mich Ungeduld, denn auf einmal konnte ich es kaum mehr erwarten, den Hexenstern zu betreten. Mir wurde auf einmal bewußt, daß meine nächsten Schritte mich zum Mittelpunkt der Welt bringen würden, in das Reich der Fronja, der Tochter des Kometen.
Dennoch schlief ich in der letzten Nacht tief und fest – und noch immer traumlos. Als ich wieder aufwachte, eröffnete mir eine Frau, daß ich mich bereits am Hexenstern befände. Obwohl man es mir gegenüber nicht zugab, war ich sicher, in einen magischen Schlaf gewiegt worden zu sein, so daß ich von der Überstellung nichts merkte.
*
Während des Aufenthalts am Hexenstern fühlte ich mich wieder in die früheste Zeit als Hexenschülerin zurückversetzt. Ich hatte keine Freundinnen, mit denen ich mich unterhalten konnte, durfte die Enge meiner Behausung fast nie verlassen, und wenn doch, dann nur in Begleitung zweier oder dreier Betreuerinnen. Das waren in helles Tuch gehüllte Frauen jeglichen Alters, die stumm zu sein schienen. Diese Dienerinnen waren bessere Sklavinnen, sie richteten nie das Wort an mich und beantworteten keine meiner Fragen. Sie versorgten mich mit Nahrung, sorgten schweigend für meine Körperpflege.
Irgendwann riß mir dann die Geduld, und ich holte eine der Betreuerinnen unter meinen lila Mantel und brachte sie durch magische Kraft zum Sprechen. Sie hieß Ydl, aber viel mehr wußte sie selbst nicht. Sie hatte nicht einmal eine Ahnung, in welchem Teil des Hexensterns wir uns befanden und welcher Zaubermutter dieses Gebiet unterstand. Mitten im Sprechen bekam sie auf einmal große Augen, dann erstarrte ihr Mund und bewegte sich nicht mehr. Ich erfuhr auch bald darauf, daß es Zahda selbst war, die ihr eine Maulschelle verpaßte, denn die Zaubermutter suchte mich auf.
Ich hatte sie aus meinem ersten Leben noch gut in Erinnerung. Nur hatte sie das eisengraue Haar unter ihrem Barett versteckt und trug einen Gesichtsschleier, der nur ihre Augen erkennen ließ. Selbst ihre Hände steckten in regenbogenfarbenen Handschuhen.
Sie sah mich lange und durchdringend an, dann sagte sie:
»Du hast dich in deinem zweiten Leben stark verändert, Ambe, aber in deinem Wesen bist du gleich geblieben. Du trägst noch immer alle Anlagen einer Träumerin in dir, obwohl du einen gegenteiligen Anschein erwecken möchtest. Du verdrängst deine Fähigkeiten nur, ich fühle es. Nun ist mir nicht bange, daß du auch vor der gestrengen Zaem bestehen kannst.«
»Meine Mutter…!« Es versagte mir die Stimme.
»Du brauchst dich vor Zaem nicht zu fürchten.« Zahda schenkte mir ein Lächeln. »Sie will dir nichts antun, auch ihr liegt nur das Wohl von Vanga am Herzen. Darum, und nur darum, will sie sich davon überzeugen, ob du wirklich eine Träumerin bist.«
»Warum ist das so wichtig?« fragte ich, durch ihre Vertraulichkeit etwas mutiger geworden.
»Ich will es dir sagen, meine lila Tochter.« Zahda nahm meine beiden Hände in die ihren und hielt sie mit sanftem Druck; das beruhigte. Sie fuhr fort: »Fronja, unsere Erste Frau, liegt die meiste Zeit in tiefem Schlaf, so daß wir Zaubermütter nicht ihren Rat einholen können. Aber ihr Geist ist wach, und er sendet Träume an berufene Hexen wie dich, die du möglicherweise einem Traum von Fronja entsprungen bist. In diesen Träumen läßt uns Fronja wissen, was ihr Wille ist, was zu tun ist, um unsere Welt auf dem richtigen Kurs zu steuern. Du siehst, wie wichtig du uns als Träumerin bist, denn aus all deinen Träumen sprach Fronjas Wille. Und nun hast du zu träumen aufgehört, obwohl du die Anlagen einer Träumerin immer noch in dir trägst. Ich bin überzeugt, daß wir dein Traumtalent wieder wecken
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