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Mythor - 087 - Der Hexenhain

Mythor - 087 - Der Hexenhain

Titel: Mythor - 087 - Der Hexenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Paul
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betroffen.
    »Vermutlich wollte sie dich nur schrecken«, antwortete Vilge. »Ich sagte schon, daß meine Truten überaus boshaft gegen Leute sein können, die sie nicht mögen. Aber sie sind auch grundehrlich und können nicht lügen. Greif nur zu und laß es dir schmecken.«
    Obwohl ich hungrig war, aß ich anfangs nur zaghaft von den dargebotenen Speisen, doch mundeten sie so vorzüglich, daß ich bald alle Bedenken vergessen hatte. Erst als mir Vilge verriet, daß Pike die verwendeten Zutaten zuerst kaue, bevor sie sie verarbeitete, drohte mir der Bissen im Halse stecken zu bleiben.
    Nach dem Essen führte mich Vilge in einen Ruheraum mit weichen Lagern, die mit den Mauserfedern der Truten gefüllt waren. Obwohl die Hexe nur mich ansprach, folgte uns Tertish wie ein Schatten, aber sie verhielt sich so unauffällig, daß mir ihre Anwesenheit gar nicht bewußt wurde. Vilge plauderte so ungezwungen mit mir, als sei die Amazone Luft für sie.
    »Ich war sechs, als Pike mich fand, und jetzt zähle ich siebenunddreißig Sommer und komme lange noch nicht in den Herbst des Lebens«, sagte Vilge.
    In der Tat, ich hätte sie jünger geschätzt. Sie war nicht gerade eine Schönheit, zumindest nicht für meine Begriffe, aber sie wirkte andererseits überaus anziehend. Sie hatte ein feingeschnittenes, ebenmäßiges Gesicht und eine gerade Nase, der Blick aus ihren grünlich schimmernden, leicht schräggestellten Augen schlug einen unwillkürlich in ihren Bann. Nur um ihren schmallippigen Mund lag ein verkniffener Zug, der ihr einen Ausdruck von Entschlossenheit und Strenge verlieh, was nur gemildert wurde, wenn sie lächelte. Insgesamt aber hatte sie etwas Edles und Vornehmes an sich, wie eine Adelige von Vanga.
    Sie erzählte mir über sich und ihre Ziehmutter Pike, die eine bekannte Weltreisende gewesen war und aus deren Feder die schönsten Reisebeschreibungen von Vanga stammen sollten, und es war ein Vergnügen, ihr zu lauschen. Vilge hatte ein bewegtes Leben hinter sich.
    Nachdem Pike sie im Land der Verlorenen Mütter aufgelesen hatte, nahm sie sie in ihrem Ballon mit und bereiste verschiedene Länder Vangas mit ihr, deren Namen Vilge längst vergessen hatte. Sie erinnerte sich nur daran, daß Pike während dieser Reisen bereits auf den Spuren des Mannes Caeryll wandelte und die Legenden ergründen wollte, die sich um ihn rankten. Dabei kam sie auch nach Ganzak, wo der Ursprung der Legenden zu suchen war. Dort fand Pike den Tod, dessen Ursache nie ganz ergründet werden konnte. Es hieß, daß sie in einen Streit zwischen den beiden Geschlechtern der Horsik und der Narein geriet und durch ein Mißverständnis getötet wurde.
    »Ich kam danach auf die Hexenschule von Spayol und sollte zur Eade ausgebildet werden«, erzählte sie. »Doch zeigte es sich, daß ich keine Träume von Fronja erhielt - vermutlich, weil ich meine eigenen hatte: Ich wollte das Lebenswerk meiner Ziehmutter Pike fortsetzen. Und nach einigen Wirren und Verwirrungen fand ich schließlich auf diesen Weg zurück. Mir lag nie besonders viel daran, ein geachtetes Mitglied der Hexengilde zu werden, und darum stehe ich heute immer noch im siebten Rang. Mir war die Magie stets nur Mittel zum Zweck, ich erarbeitete mir die Fertigkeit der magischen Künste nur in dem Maß, wie sie mir für meine Forschungsarbeit nützlich waren. Als ich zwanzig war und in den violetten Mantel schlüpfte, da befand man mich für reif genug, mir Pikes Erbe auszuhändigen. Und von da an konnte ich meine Forschungsarbeit erst richtig betreiben, denn Pikes Unterlagen waren ein schier unerschöpflicher Wissensquell für mich.«
    Vilge richtete sich am Alosa-Riß, nahe des Hexenschlags, diesen Hain ein, von dem aus sie ihre Forschungsreisen antrat, die sie immer wieder ins Dämmerland und oft bis an den Rand der Schattenzone führte. Von solch einer Reise war sie gerade zurückgekehrt, als ich sie auf Burg Narein traf.
    »Von dieser Reise habe ich meinen wertvollsten Fund mitgebracht«, sagte sie geheimnisvoll. »Es ist ein Zauberkristall von unglaublicher innerer Größe und von solcher Reinheit, daß schon ein kurzer Blick dich blendet - wenn du versuchst, richtig zu sehen.«
    »Was hat der Zauberkristall mit Caeryll zu tun?« fragte ich.
    »Vielleicht nichts - vielleicht alles«, sagte Vilge rätselhaft. »Immerhin kam er aus der Schattenzone, in die Caeryll geflohen ist.«
    »Das liegt über fünfhundert Jahre zurück!« gab ich zu bedenken.
    »Was ist Zeit?« Vilges grüne Augen

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