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Mythor - 087 - Der Hexenhain

Mythor - 087 - Der Hexenhain

Titel: Mythor - 087 - Der Hexenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Paul
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nur Streben und ein Gebälk aus Holz. Die Wände selbst, so sagte Vilge, bestanden aus einem pergamentartigen Stoff, der lichtdurchlässig war und auch des Nachts leuchtete oder flimmerte, weil er sowohl die Strahlen der Sonne speicherte als auch den Schein des Mondes verstärkte. Darum wirkte alles so unwirklich und zerbrechlich, aber auch anheimelnd und warm.
    In dieser Art - und aus diesem und ähnlichem Material - waren alle Gebäude, Gänge und Räume angeordnet, Treppen führten in die oberen Geschosse, Brücken verbanden die einzelnen Trakte miteinander, Lauben umschlossen den Innenhof, der wie ein riesiger Vogelkäfig aussah. Aber es war ein Käfig ohne Dach, durch den sich in verschiedenen Höhen Sprossen und Balken kreuz und quer spannten.
    Hier lebten die Truten, insgesamt sieben an der Zahl.
    Im Augenblick hatten sie sich auf einem der oberen Kreuzstege versammelt und bildeten einen Kreis, als hielten sie Kriegsrat. Als sie mich den Innenhof betreten sahen, hoben sie ein Gekreische an und stoben auseinander. Sie verteilten sich über das Balkengewirr und nahmen dann lauernde Haltung ein.
    »Es ist besser, wenn du dich vom Innenhof fernhältst«, riet mir Vilge. »Wen sie nicht mögen, bewerfen sie mit ihrem Kot - und sie sind sehr treffsicher.«
    Es gab in Vilges Hain nur einen gemauerten Trakt, und der lag in einiger Tiefe geradewegs unter dem Innenhof. Es handelte sich dabei um das Verlies, das Vilge jedoch nur noch als ihre Schatzkammer gebrauchte, in der sie ihre Caeryll-Sammlung unterbrachte.
    Ich verlangte, diese zu sehen, und erinnerte Vilge daran, daß sie versprochen hatte, mir eine Schrift vorzulegen, die angeblich in Gorgan abgefaßt war. Doch die Hexe vertröstete mich auf später, sehr zu Tertishs Mißfallen, die uns nicht von den Fersen wich. Sie war immer in der Nähe, hielt sich aber zumeist unauffällig im Hintergrund. Sie machte sich von Zeit zu Zeit nur bemerkbar, indem sie daran erinnerte, daß wir nur eine Frist von sieben Tagen hatten, und zwei davon bereits verstrichen waren.
    »Das ist Zeit genug«, sagte Vilge. »Du kommst rechtzeitig nach Burg Narein zurück, Tertish.«
    »Du meinst wohl, Mythor und ich.«
    »Natürlich. Aber reden wir nicht dauernd davon, das trübt nur die Stimmung. Jetzt haben wir uns erst einmal eine Labung verdient.«
    Sie führte uns in einen kahlen Raum, dessen Wände ebenfalls aus jenen dünnen, leuchtenden Wänden bestand, deren sanfter Schein beruhigend wirkte. Wir mußten auf Kissen Platz nehmen, die rund um eine an Seilen von der Decke hängenden Tischplatte angeordnet waren. Darüber spannte sich einer jener Balken, wie ihn die Truten benutzten; ich sah in dem abgegriffenen Holz die Spuren, die die Krallen dieser Mischwesen hinterlassen hatten.
    Vilge klatschte in die Hände. Gleich darauf teilte sich die eine Wand, indem die zwei Hälften auseinandergeschoben wurden, und eine Trut kam über den Balken gelaufen. Sie hatte einen grünlichen Körperflaum, der Flaum ihres Kopfes war dagegen gelblich.
    Ich staunte, als ich sah, daß das Mischwesen auf ihrem linken Flügel eine erkleckliche Anzahl von Töpfen, Krügen und Schalen balancierte. Über dem Hängetisch angekommen, beugte sich die Trut herab und trug das Gedeck mit Hilfe ihres Greifwerkzeugs des rechten Flügels auf. Sie stellte sich dabei überaus geschickt an.
    »Das ist Pike, meine Köchin«, erklärte Vilge. »Ich habe sie nach meiner Ziehmutter benannt, die mich im Land der Verlorenen Mutter in einem hohlen Opferbaum ausgesetzt fand. Pike bereitet die Speisen wie keine andere zu, und jeden Tag beschert sie mir neue Köstlichkeiten. Wie viele Gerichte kennst du, Pike?«
    »So viele wie das Jahr Tage hat, und für jedes Jahr wieder neue«, antwortete die Trut mit krächzender Stimme. Sie schleuderte vor mich eine Schüssel hin, die einen grauen, unansehnlichen Brei enthielt, der dazu noch einen unangenehmen Geruch hatte. Dazu kreischte sie: »Das ist für dich, Stink!«
    »Hast du Mythors Speise am Ende gar vergiftet?« fragte Vilge.
    »Ja«, bekannte Pike freimütig. »Wohl bekomm’s.«
    Sie wollte forteilen, aber Vilge hielt sie zurück.
    »Halt! Du wirst die Giftschüssel wieder mitnehmen. Mythor ist ein besonderer Gast, und wird entsprechend behandelt.«
    »Eben!«
    »Mythor bekommt dasselbe wie ich.«
    Die Trut gab ein unverständliches Vogelgekreische von sich, nahm den Napf mit dem ekelhaften Brei an sich und verschwand damit.
    »Wollte sie mich wirklich vergiften?« fragte ich

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