Mythor - 087 - Der Hexenhain
Mann!« herrschte mich Vilge an. »Gwit und Ulth werden sich deiner annehmen und dich zu meinem Hain bringen. Ich werde dich an der Trage festbinden. Tertish lenkt inzwischen die Aufmerksamkeit auf sich.«
Wir erreichten die Reling: Dort flatterten zwei der Vogelwesen, deren Körper weibliche Proportionen hatten und mich an die Haryie Lylsae erinnerten.
»He, hast du dir ein Männchen für die langen Winternächte eingefangen?« rief eine schrille Stimme.
»Stellst du ihn uns gelegentlich auch zur Verfügung«, keifte eine andere Stimme in mein Ohr.
»Schwatzt nicht«, herrschte Vilge die beiden sprechenden Vogelwesen an. »Ich gurte ihn am Griff fest, und dann ab mit euch. Ruft Lyz und Ried und Mel und Benta herbei, damit sie die Amazone mit dem steifen Arm und mich abholen…«
Vilge unterbrach sich, als ein Ruck durch das Luftschiff ging.
»Ha!« rief Vilge begeistert aus. »Tertish ist schon ein Dämonenweib. Sie hat mit einem Bolzen den Ballon leckgeschossen und eines der tragenden Taue gekappt. Hoffentlich fällt nun Squir in den Hexenschlag.«
»Nichts wie fort von hier«, keifte eines der Vogelwesen.
»Ja, flugs fort mit uns«, stimmte das andere ein. »Weg vom Hexenschlag. Was für ein unheimlicher Ort.«
Ich fühlte mich auf einmal emporgehoben und sah gleichzeitig das Luftschiff entschwinden. Kurz sah ich noch seine schemenhaften Umrisse, dann hatte der Nebel es verschluckt.
»He, Gwit«, erklang es über mir durch das Pfeifen des Windes. »Ist dir klar, was für eine Last wir schleppen? Wie der stinkt!«
»Ich hab’s aufblitzen gesehen, Schwester Ulth«, sagte das andere Vogelwesen. »Mir wird ganz übel, wenn ich nur daran denke.«
»Was machen wir uns diese Mühe? Werfen wir ihn einfach ab! Wir können später immer noch sagen, daß sich der Gurt gelockert hat…«
Ich wußte, daß die Drohung mir galt, aber ihre Bedeutung sickerte nicht in meinen Geist. Ich fühlte mich so elend, daß mir alles egal war.
»He, du Stink!«
»Er ist hinüber.«
»Nein, er bewegt sich…«
»Rede, Stink!«
Ich erwachte allmählich aus meinem Dämmerzustand und begann mich leidlich besser zu fühlen. Vermutlich hatte ich die Augen die ganze Zeit offen gehabt, aber ich konnte erst allmählich wieder sehen.
Ich flog dicht über eine Baumgruppe dahin. Ein Gurt spannte sich um meinen Brustkorb und schnitt mir unter den Achseln ins Fleisch. Bis jetzt hatte ich den Schmerz nicht gespürt, ebensowenig wie den Druck in meinem Unterleib. Ich stellte fest, daß er von einem Brett verursacht wurde, über dem ich lag. Ich ergriff die beiden Taue, an denen das Brett hing und die an Schlingen von den beiden Vogelwesen in den Krallen gehalten wurden, und zog mich mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft hinauf, bis ich in eine bessere Lage kam. Das wiederholte ich solange, bis ich auf dem Brett saß.
»He, der Stink regt sich!«
»Dann können wir ihn abwerfen, damit er den Aufprall spürt.«
Ich blickte hoch und rief:
»Seid ihr Haryien?«
»Hast du das gehört, Ulth? Haryien!«
»Werfen wir den Stink ab. Aber sofort!«
»Was habt ihr gegen mich?« fragte ich.
»Das kannst du dir nicht denken?«
»Du bist ein Stink - ein Freund der Haryien.«
»Wie kommt ihr darauf?«
Ein zweikehliges, empörtes Kreischen erscholl.
»Hast du einen Federschmuck, oder nicht?«
Allmählich dämmerte es mir. Ich blickte zum oberen Ende der Scheide, in der Alton steckte, wo ich Lylsaes drei Federn festgemacht hatte.
»Ah, das meint ihr. Es ist ein Andenken. Sozusagen mein Talisman.«
»Hör dir das an, Ulth.«
»Abwerfen, sage ich. Abwerfen!«
»Ihr seid also die Truten der Vilge«, rief ich hinauf. »Ihr habt gehört, was sie euch befohlen hat. Wenn ihr mich nicht sicher in ihren Hain bringt, wird es euch schlecht ergehen.«
»Drohen auch noch!«
»Den Mund vollnehmen, das haben wir gern.«
Die beiden flogen so dicht über einen aufragenden Fels dahin, daß ich die Beine einziehen mußte, um ihn nicht zu streifen.
»Ich bin ein guter Freund eurer Herrin«, behauptete ich. »Sie wird euch jede Feder einzeln ausreißen, wenn ich auch nur eine Schramme bekomme.«
»Lüge!«
»Vilge hat mit Freunden von Haryien nichts zu schaffen.«
»Ich bin ein Caeryll-Forscher wie sie«, log ich - aber so sehr gelogen war es wiederum auch nicht. Schließlich war ich nur mit Vilge mitgekommen, um mehr über DEN MANN CAERYLL zu erfahren. Ich fügte hinzu: »Die Zaubermutter Zaem selbst hat gesagt, daß ich ein Mann wie er
Weitere Kostenlose Bücher