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Mythor - 087 - Der Hexenhain

Mythor - 087 - Der Hexenhain

Titel: Mythor - 087 - Der Hexenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Paul
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sei.«
    »Das auch noch!«
    »Werfen wir ihn endlich ab!«
    »Zu spät, Ulth. Wir sind schon da.«
    Ich atmete auf, als ich die aus dem Wald ragenden Mauern eines Gebäudes sah. Nicht daß ich die Drohungen der Truten ernst genommen hätte, denn mit der Zeit erkannte ich, daß sie Maulhelden waren, hinter deren großen Worten nichts steckte. Aber es ist nicht jedermanns Sache, auf einer Sprosse sitzend zu fliegen und sich den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen. Zudem fühlte ich mich noch ziemlich schwach.
    Was war auf der Donnerwolke mit mir passiert?
    Die beiden Truten gingen in den Tiefflug über, so daß ich mit den Füßen die Wipfel der Bäume streifte. Als eine Lichtung vor den Mauern von Vilges Hain auftauchte, ließen sie sich herabfallen, fingen sich mit ausgebreiteten Schwingen ab und segelten ein Stück. Ich landete mit den Beinen auf dem Boden, versuchte, ein Stück mitzulaufen, strauchelte jedoch und wurde mitgeschleift.
    Erst als mein Fluggespann zum Stehen kam, konnte ich mich von dem Gurt befreien.
    »Danke für den angenehmen Flug«, sagte ich spöttisch zu den beiden Mischwesen, die mich aus ihren großen roten Augen feindselig anstarrten. »Aber die Landung hätte besser sein können.«
    »Wir hätten dich abwerfen sollen«, sagte die Trut mit dem gelben Flaum um das linke Auge. Und die andere, mit dem weißen Flaum auf dem Haupt, fügte hinzu: »Nur ein toter Stink ist ein guter Stink.«
    Ich hatte Gelegenheit, sie nun eingehend zu betrachten. Aufgerichtet waren sie jede fast so groß wie Lylsae, die Haryie, maßen etwa achteinhalb Fuß. Ihre Flügel, die ihnen an Stelle der Arme wuchsen, waren von doppelter Spannweite und endeten in handähnlichen, aber krallenbewehrten Greifwerkzeugen. Der Oberkörper war weiblich, das heißt, wie von einer Menschenfrau, nur mit einem Flaum bewachsen. Das Gesicht war menschlich, aber gleichzeitig vogelhaft, was vor allem an den großen, rotleuchtenden und starren Augen und an dem schnabelähnlichen Mund lag. Der Unterleib war wiederum der eines Vogels, ihre stämmigen, verhornten Beine endeten in großen Krallen.
    »Die Ähnlichkeit mit der Haryie, die ich gekannt habe, ist verblüffend. Wieso nennt ihr euch dann Truten?«
    Sie kreischten wütend auf, spannten die Flügel und liefen ein Stück, bevor sie abhoben und davonflogen.
    Kurz darauf trafen Vilge und Tertish ein, die ebenfalls von je zwei dieser vogelartigen Mischwesen getragen wurden. Nur landeten sie ungleich sanfter als ich.
    »Es freut mich, zu sehen, daß es dir wieder besser geht«, begrüßte mich Vilge. »Was war nur am Hexenschlag mit dir?«
    Ich zuckte die Schultern und sagte:
    »Bisher habe ich meinen Schwächeanfall nicht mit dem Hexenschlag in Verbindung gebracht, aber wer weiß…«
    »Und wie verstandest du dich mit Gwit und Ulth?«
    »Sie wollten mich abwerfen, weil ich Haryienfedern an mir habe.«
    »Das wußte ich nicht«, sagte Vilge bestürzt.
    »Was unterscheidet denn deine Truten von den Haryien?« erkundigte ich mich.
    »Haryien leben in der Schattenzone«, antwortete Vilge. »Die Truten wurden jedoch hier, in Vanga, großgezogen. Sie haben überaus feine Sinne, und der Geruch, der den Haryienfedern anhaftet, muß sie sehr gestört haben. Du solltest dich der Federn entledigen.«
    »Das kann ich nicht. Sie sind ein Andenken an eine gute Freundin.«
    Vilge machte ein bekümmertes Gesicht.
    »Ich kann dich nicht dazu zwingen«, sagte sie. »Wenn du einen guten Rat von mir nicht annehmen willst, mußt du die Folgen selbst tragen. Du wirst noch sehen, daß die Truten sehr unangenehm sein können. Du hast sie dir nicht gerade zu Freunden gemacht.«

5.
    Vilges Hain sah nur äußerlich wie eine Trutzburg aus. Die hohen, steinernen Mauern waren bloß Fassade und sollten den Anschein von Wehrhaftigkeit erwecken. Hinter diesen vier Befestigungsmauern mit den häßlichen, abschreckenden Wasserspeiern, den eisendornenbespickten Zinnen, den Türmchen und Erkern sah alles ganz anders aus, lag eine lieblichere, verspielt wirkende Welt.
    Wenn Vilge von sich behauptete, daß sie eine Schwärmerin sei, dann glaubte man es ihr, außerdem erweckte sie aber auch den Eindruck, daß sie immer erreichte, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Ihr Wesen war eine Mischung von Verspieltheit und Zielstrebigkeit.
    Schritt man durch das schwere, eisenbeschlagene Tor, kam man in eine Halle, deren Wände und Decke fast durchscheinend und wie aus milchigem Glas waren. Es gab keine steinernen Säulen, sondern

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