Mythor - 095 - Die Zaubermütter
und im Augenblick ist er dabei, einigen für ihre Grausamkeiten bekannten Aasenmädchen in die Falle zu gehen. Recht geschieht ihm. Was mischt er sich in Dinge, die ihn nichts angehen.«
»Wir müssen ihm beistehen«, sagte Burra, und ihre Augen leuchteten in bedrohlichem Funkeln.
Tertish nickte.
»Wir befreien ihn, und dann…«
Burras Gesicht wurde von einem wilden Lächeln überzogen. Jäh folgte die Besinnung.
»Wir müssen uns sputen«, stieß sie hervor. »Zaem ist in der Nähe. Ich will nicht, daß sie erfährt, daß dieser Mann noch lebt.«
»Dann wirst du ihn sofort…«
Burra schüttelte den Kopf.
»Rache ist ein Gericht, das man kalt genießen sollte«, sagte sie triumphierend. »Nein, er soll einen anständigen Zweikampf bekommen, wenn er stirbt. Ihn einfach abzustechen, wird nicht rühmlich sein.«
Noch weniger bei einer Amazone, dachte sie bekümmert, der man nachsagen wird, auch die Tochter des Kometen abgestochen zu haben.
»Dann beeile dich und folge mir«, sagte Tertish. »Ich führe dich zu ihm - er steckt nämlich in der Klemme. Ich kenne diese kleinen Aasenmädchen, es sind boshafte Kreaturen, heimtückisch, verschlagen und grausam. Wüßte ich nicht, daß sie sich Zeit dabei lassen, ihre Opfer zu Tode zu quälen, wäre ich nicht hergekommen. Nun werde ich dich führen, Burra. Dann habe ich mein Ziel erreicht.«
»Geh voran!«
Burra schritt waffenklirrend hinter der Todgeweihten her, die sich rasch einen Weg durch das Labyrinth von Korridoren, Hallen und Gängen bahnte. Es bedurfte einer besonderen Gabe, sich hier nicht hoffnungslos zu verirren.
Nach einiger Zeit konnten die beiden Amazonen etwas hören.
Burra runzelte die Stirn.
»Ist er das?«
Sie deutete nach vorne, wo ein jämmerliches Klagegeheul zu hören war, ängstliches Kreischen schlimmster Art.
»Bestimmt nicht«, stieß Tertish betroffen hervor. »Das würde er nicht tun.«
»Hoffentlich«, sagte Burra. »Es würde mich sonst ekeln…«
Die beiden Frauen beeilten sich, dem Geschrei entgegenzukommen - es war denkbar, daß sie im letzten Augenblick zu spät kamen, ein Gedanke, der Tertish sehr erschreckte.
Als sie den Raum erreichten, aus dem das Lärmen und Schreien klang, sahen sie, daß sie den richtigen Augenblick genau erreicht hatten - in einem sich langsam verengenden Kreis waberte die Lohhitze um die Gefangenen der Aasenmädchen.
Tertish und Burra wechselten einen raschen Blick. Dann griffen sie ein.
8.
Das war der Tod. Ganz eindeutig, das war er. So etwas konnte kein lebendes Wesen länger ertragen.
Mescal schrie.
Er schrie die Qual heraus, die er bei dem Gedanken empfand, nun sterben zu müssen. Er schrie, weil er im Angesicht des nahen Todes begriffen hatte, daß er im Grunde niemals richtig gelebt hatte - diese Einsicht allein war begleitet von grauenvollen inneren Schmerzen.
All seine Schmerzen, die inneren wie die äußeren, legte Mescal in sein Schreien. Die Wut über Mißhandlung, die Scham über eigenes Versagen, den Schmerz über Zurückweisung, die innere Tortur, sich als anders empfinden zu müssen als alle anderen, der Zustand des Ausgestoßenseins - all das lag in dem langgezogenen Schrei des Geschaffenen.
Als er glaubte, nicht länger aushalten zu können, brach der Schrei ab. Und einen Herzschlag später, als Mescal plötzlich in Demut sein Haupt beugte vor dem Unausweichlichen, da verschwand die Waberlohe.
Mescal stand starr.
Er sah zwei Amazonen, eine schrecklicher als die andere. Er sah die Schar der Aasenmädchen, die sich jämmerlich kreischend - recht geschah ihnen, dachte Mescal in jäh wiedererwachtem Hochmut - in Sicherheit brachten. Er sah einen am ganzen Leib zitternden, tränenüberströmten Lankohr. Und er sah den Mann, den Stee herangebracht hatte, schwanken, sich langsam um die Längsachse drehen und dann schwer auf den Boden krachen.
Mescal wähnte nichts anderes, als daß er jetzt erschlagen werde, und schon begann er sich zu neuer Klage zu rüsten, als er begriff, daß es ihm nicht mehr ans Leben ging.
»Er ist es, in der Tat«, murmelte die größere und wildere der beiden Amazonen, ein Weib, wie es Mescal so schrecklich nie zuvor geschaut hatte. Was immer an Frauen furchterregend war - und für Mescal insbesondere - war in diesem Schreckensweib in riesigen Mengen zusammengeballt. Häßlich war sie, selbst für die Verhältnisse Vangas; Muskelwülste, von Panzern und Leder nur mühsam gebändigt; die Bewegungen von einer Kraft erfüllt, die Ochsen hätte fällen
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