Mythor - 095 - Die Zaubermütter
sehen.
Burra wußte, was nun zu tun war.
Sie mußte Fronja töten.
Der Sachverhalt war klar und eindeutig; ungeheure Gefahr ging aus von der Tochter des Kometen. Die Zaubermütter waren bedroht, auch wenn sie es nicht wußten oder nicht wahrhaben wollten. Die Amazonen schwebten in Gefahr, ganz Vanga litt unter der lautlosen Bedrohung, die von Fronja ausging.
Zaem hatte es gesagt, und Burra wußte, daß ihre Zaubermutter nicht log. Burra wußte, daß es ihre Aufgabe war, Fronja zu töten - daß eine Zaubermutter diese wenig ruhmvolle Tat nicht selbst ausführen durfte war klar.
Burra stand reglos. Ihr Atem ging langsam und schwer.
Es lag auf der Hand, was zu tun war und wer es zu tun hatte.
Aber Burra brachte es nicht fertig.
Es hörte sich so leicht und einfach an. Ein Schwert gezogen, ein rascher, treffsicherer Stoß. Fronja würde es im Schlaf kaum spüren, würde ausgelitten haben, bevor ihr Herz einen weiteren Schlag hätte machen können.
Und Vanga wäre von dieser Geißel befreit gewesen.
Burras Hand klammerte sich um das Heft ihres Seelenschwerts. War dies die rechte Waffe für eine solche Tat?
Burra zuckte zurück.
Mit jedem Herzschlag wurde die Qual größer, die die Amazone zu ertragen hatte.
Im Kampf Frau gegen Frau, gegen ein Dutzend Amazonen, hätte Burra nie gezögert. Mit Jubelgeschrei wäre sie in einen solchen Streit geeilt, versprach es doch Aufregung, Ruhm und Ehre.
Aber dies hier?
Es war wichtig, unerläßlich, Zaem hatte es gesagt, und Zaem mußte es wissen, besser als jede andere.
Der Schwertmond, der in Bälde begann, war Zaems Mond, dann erreichten ihre Macht, Wissen und magische Fähigkeiten den Gipfel. Wenn sie unter diesen Umständen Fronjas Tod forderte, mußte sie wissen, was sie sagte.
Aber es blieb schändlich.
Ein wehrloses, schlafendes Weib zu meucheln - eine Amazone, die etwas auf sich hielt, tat dergleichen nicht. Offener Kampf war das Element der Vanga-Amazonen, nicht schmachvoller Meuchelmord.
War diese Tat als solche schon schändlich, so gewann sie besonderes Gewicht durch die Person, die als Opfer bestimmt war.
Fronja, die Tochter des Kometen.
Gleichsam die Mutter von Vanga, eine Frau, der unter normalen Umständen aller Respekt, alle Ehrfurcht, aber auch alle Liebe der Vanga-Amazonen gehörte.
Was Zaem von Burra forderte, war entsetzlich viel. Sie mußte nicht nur töten, was ihr nicht sonderlich schwerfallen konnte, sie mußte nicht nur eine Wehrlose morden - was Zaem forderte, war, als tötete sie einen Teil ihrer selbst.
Mit Fronja tötete Burra auch alles das ab, woran sie geglaubt hatte. Mochte es noch so unumgänglich notwendig sein - Zaem hatte es schließlich klar gesagt, daß es unausweichlich sei - so blieb es doch der schrecklichste Auftrag, der jemals einer Amazone zugemutet worden war.
Burra atmete flach. Es war, als wolle sie das innere Feuer nicht noch zusätzlich durch tiefe Atemzüge anfachen. Zweifel loderten in ihr. Ein starkes Gefühl widersetzte sich dem klaren Befehl der Zaubermutter. Es ging Burra gegen die Ehre, Fronja zu töten.
Aber da war der klare Befehl der Zaubermutter - wem, wenn nicht Zaem, sollte sie gehorchen?
Burra zog langsam das Schwert. Es war ihre beste Waffe, ein wahres Schmuckstück der Schwertschmiedekunst.
Es war eine Klinge vom Katana-Typ und maß, in der Sprache der Schwertschmiede, fast zweieinhalb Shaku, das waren etwas weniger als drei Fuß. Dem Aufbau nach entsprach es dem Soshiu-Stil: dem rechteckigen Kern aus weichem Stahl war die gehärtete Schneide in gleicher Dicke aufgesetzt, auch die Rückseite bestand aus einem Stück Hartstahls. Die Flanken der Klinge waren doppelschichtig, mittelhart und gehärtet außen. Ein solches Schwert vereinigte Geschmeidigkeit und Härte in sich; in der Hand einer Meisterin wie Burra war es ein Kunstwerk des Todes.
Die Tsuba, das Parierblech, zeigte in erlesener Arbeit Burras Zeichen.
Dazu das Symbol der Zaubermutter, der Burra lehnspflichtig war.
Die bläuliche Narbe auf Burras Gesicht, quer von der Stirn über die Nasenwurzel, pulsierte, ein Zeichen, welche Erregung die Amazone befallen hatte.
Die breiten Lippen öffneten sich, ließen die gelben zugefeilten Zähne sehen. Einen tiefen Seufzer stieß Burra aus.
Niemals in ihrem rauhen, gnadenlosen Kämpferleben hatte sie eine solche Anspannung des Gemüts erlebt, niemals war es ihr schwerer geworden, die erprobte Klinge zu führen.
Aber Fronja töten…?
Burras massige Gestalt schwankte. Der Kampf, den sie
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